Management Accounting und Pizzateig

Zur Kalkulation der Produktkosten sind Stücklisten und Arbeitspläne erforderlich. Sie kommen vor allem in Produktionsbetrieben vor, zunehmend aber auch in Dienstleistungs- und Handelsunternehmen.

Management Accounting und Pizzateig

Eine zentrale Aufgabe jedes Management Accounting Systems ist es, die Kosten eines Produkts oder einer Dienstleistung (Service) zu kalkulieren. Produktkalkulation ist für die Planung, für die Erfassung der effektiv entstandenen Kosten, für die Analyse entstandener Abweichungen  sowie für die Bilanzierung erforderlich.

Ein Produkt kalkulieren zu können setzt voraus, dass das Produkt eindeutig definiert ist. Dazu gehören die einzusetzenden Rohstoffe, Halbfabrikate und Fremdleistungen sowie die eigenen Arbeitsleistungen und die einzuhaltenden Qualitätsvorgaben.

Wie überlegt der gewiefte selbständige Pizzaiolo?

Management Accounting und Pizzateig
Management Accounting und Pizzateig
Stückliste

Diese Tabelle enthält die laut Rezept notwendigen Materialverbräuche. Inbegriffen ist auch das Mehl, das zum Kneten des Teigs gestreut werden muss.

Stückliste für Pizzateig
Stückliste für Pizzateig
Arbeitsplan

Das sind die einzuplanenden Arbeitszeitverbräuche für die Teigherstellung. Weil verschiedene Arbeitsgänge nur einmal und damit unabhängig von der hergestellten Menge notwendig sind, sind deren Zeitverbräuche in der Spalte «Rüsten» aufgeführt.

Arbeitsplan für Pizzateig
Arbeitsplan für Pizzateig

Werden pro Arbeitsstunde für die Teigbearbeitung EUR 20.— angesetzt, ergeben sich leistungsabhängige Plan-Arbeitskosten von EUR 10.33 (31 Min./60 Min. x EUR 20.00) plus die Materialkosten von EUR 1.84, total also EUR 12.17 für 4 Teige (Los) oder EUR 3.04 pro Stück.

Sind Stückliste und Arbeitsplan für den Teig fertig, kann der Pizzaiolo überlegen, welche Zutaten für die Dekoration der Pizza (und damit der Erstellung des verkauften Produkts) notwendig sein werden. Dazu muss er wissen, welchen Pizzatyp der Kunde will. Will er eine „Quattro Stagioni“ braucht es:

    • Carciofi (Artischockenherzen), 3 Stück
    • Pilze (Büchsen-Champignons), 20 Scheibchen
    • gekochten Schinken), 2 Scheiben
    • schwarze Oliven, 15
    • Gewürze, 10g

Der Pizzaiolo rechnet aus, dass die Dekoration einer Quattro Stagioni“ 0.56 EUR pro Stück kosten sollte (Materialkosten).

Den Zeitbedarf für das Dekorieren der Pizza veranschlagt er mit 2 Minuten, was bei EUR 20.— pro Mitarbeiterstunde pro Pizza 0.67 EUR proportionale Fertigungskosten verursacht.

Die proportionalen Kosten der Herstellung einer „Quattro Stagioni“ belaufen sich folglich auf EUR 3.04 + 0.56 + 0.67 = 4.27 EUR.

Dieses einfache, aber trotzdem zweistufige Beispiel zeigt, dass als Voraussetzung zur Kalkulation das Mengen- und das Leistungsgerüst eines Produkts bekannt sein müssen. Die Einstandspreise und der Kostensatz für die Arbeitszeit können sich ändern, die Mengen und Zeiten sind durch den aktuell geltenden Herstellungsprozess gegeben. Das Verbrauchsmaterial wird vom Lager (Keller, Kühlschrank) bezogen, die Leistungen werden in der Kostenstelle «Pizzaofen» erbracht. Die im Mengen- und Leistungsgerüst festgehaltenen Verbräuche sind Ziele, die es zu erreichen gilt, wenn man den Prozess beherrscht. In der Fachsprache werden sie auch «Standards» genannt.

Bitte beachten: Die Nutzung der kompletten Kücheneinrichtung wurde nicht in die Kalkulation des Pizzateigs eingerechnet. Die Einrichtung muss betriebs- und leistungsbereit vorhanden sein, damit überhaupt irgendwelche Produkte hergestellt werden können. Wird die Küche nicht genutzt, fallen trotzdem Stromkosten für den Betrieb des Kühlschranks / Tiefkühlers an. Die Küche muss periodisch gereinigt werden, damit sie betriebsbereit bleibt. Dazu ist es auch notwendig, dass Gerätschaften wie Besteck, Schüsseln, Teller, Kuchenbleche etc. bereitstehen. Betriebswirtschaftlich betrachtet verliert die Küche, ob genutzt oder nicht, täglich an Wert, weil sie veraltet. Diesem Umstand wird durch die Abschreibung Rechnung getragen. Alle diese Kostenelemente werden nicht durch die hergestellten Pizzen verursacht, sondern durch die Entscheidung, wie die Küche ausgestattet und gepflegt sein soll. Dem hergestellten Produkt, also der Pizza können sie deshalb nicht verursachungsgerecht zugerechnet werden und erscheinen folglich auch nicht in der Kalkulation.

Im entscheidungsrelevanten Management Accounting werden einem Produkt oder einer Dienstleistung nur diejenigen Kosten zugerechnet, welche direkt durch seine Entstehung verursacht werden. Die entsprechenden proportionalen Plankosten werden auch zur Bewertung der Lagerzu- und -abgänge verwendet, weil so die Lagerbestände immer zu Standard bewertet werden und die Abweichungen der Berichtsperiode belastet werden. Das Management Accounting dient der internen Planung und Steuerung. Für die Berechnung des Verkaufspreises kann es nur Orientierungsdaten liefern.

Pricing is not costing

Der gewiefte Pizzaiolo analysiert zuerst die Angebote und Preise seiner Konkurrenten und vergleicht sie mit seinem Angebot. So legt er den Verkaufspreis fest. Erst jetzt macht es Sinn, die eigenen Kosten mit dem erzielbaren Umsatz zu vergleichen.

Der Markt macht den Preis, nicht die eigenen Kosten.

Arbeitspläne und Stücklisten auch in Dienstleistung und Handel

Stücklisten kommen auch in Handelsunternehmen vor, wenn z.B. mehrere Produkte als Set zusammengepackt und als eine Einheit verkauft werden.

Auch in Dienstleistungsunternehmen bilden Stücklisten und Arbeitspläne die Kalkulationsgrundlage. Der Unterschied zum Produktionsunternehmen besteht hauptsächlich darin, dass das Mengen-/Leistungsgerüst erst festgelegt werden kann, wenn die genaue Kundenanforderung bekannt ist, respektive das zu liefernde Produkt eindeutig definiert ist. Beispiele dazu:

    • Änderungsschneiderei: Erst wenn bekannt ist, welche Materialien in welchen Mengen und welche Arbeitsgänge mit welchen Zeitbedarfen zur Erfüllung des Kundenwunsches erforderlich sind, können die Plankosten eines Auftrags kalkuliert werden.
    • Krankenhaus: Der «Fall» ist abwicklungstechnisch betrachtet der Container für die Zusammenführung aller zur Anamnese, Diagnose und zur Therapie erbrachten Leistungen (Gespräche, Operationen, Therapien, Pflege) und der dadurch verursachten Verbräuche (Medikamente, Implantate, medizinisches Verbrauchsmaterial, Beherbergung, Verpflegung). Der Behandlungspfad beschreibt im Einzelnen die zu erbringenden Leistungen und Verbräuche. Er entspricht damit dem Arbeitsplan und der Stückliste in der Industrie.
    • Öffentliche Verwaltung: «Ein Produkt entsteht in der öffentlichen Verwaltung dann, wenn eine Leistung für einen externen Kunden erbracht wird (z.B. Ausstellung eines Reisepasses, Erteilung einer Bewilligung) oder wenn durch die Leistung neues Verwaltungsvermögen (z.B. Bau einer Quartierstrasse) begründet wird (Rieder, L. Kosten-/Leistungsrechnung in der Verwaltung, S. 66).» Erst wenn das Produkt mit seinem Inhalt und seinem Leistungsumfang definiert ist, kann festgelegt werden, welche verwaltungsinternen Leistungen ursächlich für die Erstellung notwendig sind und welche Bezüge von Material und Fremdleistungen vorzusehen sind. Das Mengen-Leistungsgerüst wird wiederum in produktspezifischen Stücklisten und Arbeitsplänen dokumentiert.

Stücklisten und Arbeitspläne sind allgegenwärtig. Das Management Accounting übernimmt die Daten für die Kalkulation aus dem Produktionsplanungs- und Steuerungssystem (PPSS). Dort werden auch die Stammdaten bezüglich Einsatzmaterial, Fremdleistungen, Prozessabläufen, Maschinen, Kostenstellen, Vorgabezeiten und Plan-Einstandspreisen gepflegt und die Aufträge datenmässig geplant und abgewickelt.