Lagerbestände zu Standard bewerten

Entscheidungsrelevanz kommt vor der externen Berichterstattung.

Aktualisiert am 13-03-24 durch Lukas Rieder Dr. oec.

Lagerbestände zu Standard bewerten

Entscheidungs- und verantwortungsgerechtes Management Accounting erfordert, dass Abweichungen gegenüber Plan dort berichtet werden, wo sie entstanden sind. Denn dort sind zuerst Korrekturmassnahmen zu bestimmen und umzusetzen, soll das Zielergebnis trotz Abweichungen erreicht werden (vgl. den Beitrag «Führungskreislauf»). Das gelingt, wenn sämtliche Lagerein- und -ausgänge zu proportionalen Plan-Herstellkosten bewertet werden und wenn die Kostenstellenleistungen jeweils nur zum proportionalen Plankostensatz weitergegeben werden.

Folgende Regeln sind dabei einzuhalten:

    • Alles eingekaufte Material wird während des gesamten Jahres beim Lagereingang zum Planeinstandspreis (gemäss Jahresplanung) bewertet. Die Differenz zwischen Plan-Einstandspreis und dem effektiv bezahlten wird als Einstandspreisabweichung in der Monatsberichterstattung offengelegt und kann so auch in der Finanzbuchhaltung termingerecht ausgewiesen werden. Zuständig ist der Einkauf.
    • Lagerbezüge von Rohmaterial sowie Hilfs- und Betriebsstoffen werden den Aufträgen und den beziehenden Kostenstellen ebenfalls zu Plan-Einstandspreisen belastet. Einstandspreisabweichungen bleiben beim Einkauf.
    • Hergestellte Halb- und Fertigfabrikate werden beim Lagerzugang zu proportionalen Plan-Herstellkosten des jeweiligen Artikels bewertet (Abweichungen bleiben in den Fertigungsaufträgen oder in den ausführenden Kostenstellen). Von dort werden sie in die stufenweise Deckungsbeitragsrechnung übernommen.
    • Fixkosten sind Periodenkosten und können folglich nicht verursachungsgerecht einer einzelnen hergestellten Einheit zugeordnet werden.
    • Lagerentnahmen von Halbfabrikaten für die Verarbeitung in weiteren Fertigungsstufen werden zu proportionalen Plan-Herstellkosten bewertet, also zum Standard. Denn eventuelle Abweichungen wurden schon in der Vorstufe offengelegt.
    • Lagerentnahmen für den Verkauf erfolgen ebenfalls zu proportionalen Plan-Herstellkosten der Fertigprodukte (Abweichungen wurden schon in den Stufen Halbfabrikate und Kostenstellenleistungen ausgewiesen). Zudem ist der Verkauf nur selten für Fertigungsabweichungen verantwortlich.

Das durchgängige Weiterreichen der erbrachten Leistungen zu proportionalen Herstellkosten oder zu proportionalen Plankostensätzen der Kostenstellen führt dazu, dass sämtliche Abweichungen vom Plan oder vom Soll dort ausgewiesen werden, wo sie ursprünglich entstanden sind und wo Verbesserungsmassnahmen zu suchen sind. Die jeweiligen Leitungspersonen haben für ihren Bereich immer den Vergleich zwischen den erbrachten Leistungen und den von ihnen zu verantwortenden Kosten zur Verfügung. Abweichungen aus den Vorstufen bleiben dort, weil sie auch in den Vorstufen zu beheben sind. Die Produktions- und Kostenstellenverantwortlichen können so beurteilen, ob sie ihre Plankosten unter Berücksichtigung der real erbrachten Leistungen eingehalten haben. Denn sie sind für die von ihnen direkt beeinflussbaren Kosten verantwortlich.

Beim Jahreswechsel sind die Plan-Einstandspreise und die proportionalen Plankosten des Folgejahres anzusetzen, weil sich in den Kostenstellen die Prozesse und damit die Fertigungskosten ändern können und andere Einkaufspreise vorzusehen sind. Das erfordert zwar eine (weitgehend automatisierbare) Umbewertung der Lagerbestände zu Jahresbeginn, doch entstehen dadurch auch im Folgejahr die richtigen Zahlen, um entscheidungsrelevante Soll-Ist-Vergleiche präsentieren zu können.

Accounting for Management heisst, allen Führungskräften die Systeme und Daten zu liefern, damit sie in ihrem verantworteten Führungsbereich und für das Unternehmen als Ganzes zielorientiert planen und steuern können. Im Vordergrund stehen immer die entscheidungsrelevante interne Berichterstattung und die erfolgreiche Führung der einzelnen Unternehmensbereiche.

Und die externe Berichterstattung?

Der hier verfolgte entscheidungs- und verantwortungsbezogene Approach entspricht oft nicht den Bewertungsregeln von Rechnungslegungsstandards wie IFRS, USGAAP oder nationalen steuerrechtlichen Vorgaben. Diese Regeln verlangen meistens die Präsentation der Ergebnisse in Form einer Vollkostenrechnung und eine aussenorientierte Bewertung der Bestände.

Die rechtlich verbindlichen Vorschriften haben wir zusammengetragen und ihre Auswirkungen auf die Gestaltung des betrieblichen Rechnungswesens analysiert. Insbesondere wollten wir wissen, ob die gesetzlichen Vorschriften oder Rechnungslegungsstandards den Aufbau eines kompromisslos auf Entscheidungsfindung und interne Verantwortungsnahme ausgerichteten Management Accounting-Systems verbieten oder verhindern.

Diese Analyse haben wir mehrmals überarbeitet und aktualisiert. Den  Stand von 2019 können Sie mit nachstehendem Link herunterladen: Lukas Rieder, Markus Berger-Vogel: «Umlagen: Eine oder keine?».

Die zentrale Erkenntnis aus der Analyse nehmen wir vorweg:

Es gibt keine gesetzlichen Rechnungslegungsvorschriften oder internationalen Berichterstattungsstandards, welche den in diesem Blog empfohlenen Aufbau des entscheidungs- und verantwortungsgerechten Management Accounting-Systems verbieten oder in anderer Form vorschreiben.

Im Management Accounting wird vom einzelnen Artikel, von den Prozessen und von Kostenstellen und den darin tätigen Personen ausgegangen. Diese Elemente gilt es im Einzelnen zu planen und zu steuern, soll ein Unternehmen nachhaltig erfolgreich bleiben. Auswertungen sind meistens Verdichtungen auf höhere Betrachtungsebenen, welche den Blick auf die steuerungsrelevanten Details verwehren.

Mit Bezug auf die Bewertung der Lagerbestände und damit der Feststellung des extern berichteten Jahresergebnisses macht es Sinn, sämtliche Lagerein- und -ausgänge immer zu proportionalen Plan-Herstellkosten zu bewerten. Es ist einfach, in einer Nebenrechnung die Bestandsbewertungen den Rechnungslegungsregeln anzupassen, um externe Berichte zu generieren. Der finanzielle Erfolg wird jedoch am Markt und intern generiert, nicht durch die externe Berichterstattung.

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