ABC Industries Vollkostenrechnung

Auch beim Einsatz differenzierender Zuschlagssätze für fixe Gemeinkosten werden die Produktergebnisse verzerrt, weil Fixkosten Periodenkosten sind, welche auf utnerschiedliche Herstellmengen umgelegt werden.

ABC Industries

ABC Industries war ein mittelgrosses Gesenkschmiedeunternehmen mit Sitz im Südosten von Michigan.  Mit einem Jahresumsatz von 25 Millionen Dollar erwirtschaftete es einen Gewinn vor Steuern von 500’000 USD.

Eingekaufte Stahlstäbe wurden auf die entsprechende Länge zugeschnitten, sandgestrahlt und dann in ein bis drei Schmiedevorgängen auf Pressen mit unterschiedlicher Tonnage bearbeitet, bis die gewünschte Form geschmiedet war.  Einige Teile waren nach dem Schmiedeprozess fertig, viele mussten aber noch in der Werkstatt bearbeitet werden. Nach Abschluss aller Fertigungsprozesse wurde alle Teile sortiert, verpackt und versandt.

ABC hatte eine traditionelle Vollkostenrechnung im Einsatz.  Das Unternehmen berechnete seine Produktkosten anhand eines werksweiten, auf direkten Arbeitskosten basierenden Gemeinkostenzuschlagssatzes. Dieser beruhte auf den tatsächlichen Ergebnissen des Vorjahres.

Verbesserte Vollkostenrechnung

Um den Betrieb und die Kosten besser steuern zu können wurde ein neues Management Accounting System mit Berechnung der vollen Kosten pro Produkteinheit eingeführt. Die Hauptdatenquelle blieb jedoch die Finanzbuchhaltung:

    1. Der Aufwand und die Arbeiten zur Unterstützung der Produktionsarbeit (Lohnsteuer, Krankenversicherung, Unterstützung der Personalabteilung usw.) wurden von den Kosten zur Unterstützung der Nicht-Lohn-Produktionsressourcen (Abschreibungen, Versorgungsleistungen, Wartung usw.) getrennt. Diese Fixkosten zur Unterstützung der Produktionsarbeit waren die einzigen Kosten, die in einem auf Arbeitsstunden basierenden Satz enthalten waren, der verwendet wurde, um die direkten Arbeitskosten den Produkten zuzuordnen.
    2. Der Aufwand und die Arbeiten, die mit dem Einrichten der Schmiedepressen vor der Produktion verbunden sind – einschliesslich der Fixkosten für Kapazitätsverluste aufgrund von Stillstandszeiten während des Einrichtens – wurden getrennt und in die „Kosten pro Einrichtung“ eingerechnet. So können die Einrichtungskosten den Fertigungsaufträgen belastet werden.
    3. Die Schmiedepressen wurden auf der Grundlage ihrer Tonnage in drei Gruppen (Kostenstellen) gegliedert und die nachgelagerten Bearbeitungsvorgänge wurden von den Schmiedetätigkeiten getrennt. Die fixen Leistungsbereitschaftskosten der Schmiede- und der Nachbearbeitungskostenstellen (Raumkosten, Abschreibungen, Versorgungsleistungen, Instandhaltung usw.) wurden diesen vier Aktivitätszentren auf der Grundlage von Verbrauchsmetriken oder Schätzungen sachkundiger Personen zugewiesen. Diese fixen Kosten wurden in die Kostensätze der Schmiedepressen und der Nachbearbeitung eingerechnet. Mit den sich ergebenden Sätzen wurden die (vollen) Fertigungskosten jedes Produkts berechnet.
    4. Der Aufwand für die Materiallogistik (Einkauf, Wareneingang, Qualitätsprüfung, Lagerung), wurde ebenfalls getrennt Daraus wurde Arbeitsstundensatz berechnet, welcher zur Belastung der Produkte mit Sortier- und Verpackungskosten verwendet wurde.
    5. Aus dem Aufwand für die prozessbegleitende Bewegung und Lagerung von Teilen wurde ein «Kostensatz pro Bewegung“ berechnet, welcher dann ebenfalls den hergestellten den Produkten zugerechnet wurde.

Unter Verwendung dieser neuen Kostenstruktur und den neuen Vollkostensätzen wurden für verschiedene Mengen- und Mischungsszenarien die Gesamtkosten für den Betrieb des Unternehmens berechnet und daraus Vollkostensätze für die einzelnen Produkte je nach Produktionsprogramm zu berechnen.

Die Vollkostensätze wurden auf Basis der verfügbaren personellen und maschinellen Kapazitäten (praktische Kapazität) pro Kostenstelle berechnet. Die Auswertungen ergaben, dass mehrere Produkte des Unternehmens erhebliche Verluste einfuhren.  Ein grossvolumiges Produkt – ein Antriebsritzel, das für 9,18 USD verkauft wurde – von dem das Unternehmen glaubte, dass es einen Gewinn von 1,38 USD einbrachte, erwies sich als Verlust von 0.70 USD pro verkaufte Einheit.  Andererseits zeigte das neue Modell auch, dass das Unternehmen in letzter Zeit mehrere Angebote nicht erhalten hatte, weil es aufgrund seines früheren Kalkulationsmodells Preise anbot, die weit über den Preisen der Konkurrenz lagen. In den nächsten Jahren konnte das Unternehmen seine neuen Kosteninformationen nutzen, um sein Portfolio im Kerngeschäft mit wesentlich rentableren Produkten zu bestücken.

ABC Industries profitierte auch von der Möglichkeit, mit der neuen Kostenrechnung Angebote leistungs- und auslastungsbezogen zu kalkulieren. Dadurch konnten mehrere „Nicht-Kernprodukte“ übernommen werden, welche nicht genutzte Kapazität nutzten und so zu besseren Ergebnissen beitrugen. Mit den verfügbaren Daten war das Unternehmen auch in der Lage, mit Modellrechnungen die Rentabilität von Investitionen in Maschinen und Gebäude zu kalkulieren, bevor dein entsprechendes Projekt bewilligt wurde. Weitere Ergebnisverbesserungen wurden durch Änderung des Rüstprozesses erzielt. Die Reduktion der Rüstzeiten ermöglichte es, durch bessere Nutzung der vorhandenen Kapazitäten den Kauf von zwei neuen Pressen zu verhindern. Die Analyse Kosten für werksinterne Transporte führte dazu, dass „Bewegen-Lagern-Bewegen“-Aktivitäten in „Nur Bewegen“-Aktivitäten geändert wurden.

In den vier Jahren nach der Einführung der neuen Kostenrechnung konnte das Unternehmen seinen Umsatz von 25 auf 60 Mio. USD steigern. Der Gewinn vor Steuern stieg von 0.5 Mio. USD auf 6.0 Mio. USD.

Nachtrag zu diesem Fall

ABC Industries wurde später von einem 3 Milliarden USD schweren Automobilzulieferer aufgekauft.  Das Management des neuen Eigentümers war so beeindruckt von der Leistung des kleineren Unternehmens und der wirtschaftlichen Kompetenz seines Managements, dass es die Kostenrechnungsmethodik des Unternehmens in seiner 600 Millionen USD schweren Schmiedeabteilung und später im gesamten Unternehmen übernahm.

Diese Fallstudie wurde vom Profitability Analytics Center of Excellence PACE veröffentlicht. Den englischen Originaltext finden Sie hier: Case Studies | Profitability Analytics Center of Excellence (profitability-analytics.org)

Parts Maker Automobilkomponenten

Auch mit differenzierten Gemeinkostenzuschlägen lässt sich der Erfolgsbeitrag des einzelnen Produkts nicht zeigen.

Parts Maker und seine Automobilkomponenten

Parts Maker Inc. war ein mittelgrosser Hersteller von Automobilkomponenten. Mit Stanz-, Walz-, Endbearbeitungs- und Montagevorgängen stellte das Unternehmen eine Vielzahl von Automobilprodukten her.  Der Jahresumsatz von 24 Millionen USD verteilte sich gleichmässig auf drei Produktgruppen: Kraftstofftankklappen, Dachgepäckträger und Struktur-Stanzteile.  Das Unternehmen hatte sechs Jahre lang Verluste gemacht, die im letzten Jahr mit 500.000 USD einen neuen Höchststand erreichten.

Zur Herstellung von Kraftstofftankklappen kaufte das Unternehmen Stahlcoils, aus denen es die Hauptkomponenten für die Klappen stanzte.  Die Tankklappe selbst war das einzige von Parts Maker hergestellte Stanzteil der Klasse A.  Stanzteile der Klasse A werden für die Aussenseite des Fahrzeugs verwendet und daher lackiert. Sie sind wesentlich höheren Qualitätsstandards unterworfen als die übrigen Stanzteile des Unternehmens.  Die Komponenten wurden in einer speziell für diesen Zweck eingerichteten Montagezelle zum fertigen Produkt zusammengebaut.  Dachgepäckträger wurden auf Walzstrassen aus Bimetallcoils oder Edelstahlcoils hergestellt.  Dies war ein kontinuierlicher Prozess, der mit dem Abwickeln begann und mit der Montage eines kompletten Dachträgers endete.  Struktur-Stanzteile wurden in einem ein- oder zweistufigen Verfahren hergestellt – oft als „bang it and box it“ bezeichnet – wobei das Produkt unmittelbar nach dem letzten Stanzvorgang verpackt wurde.

Verbesserung der Vollkostenrechnung

Parts Makers hatte seine Kosteninformationen mit Hilfe einer traditionellen und einfach gehaltenen Vollkostenrechnung entwickelt.  Die Produktkosten wurden anhand eines werksweiten, auf direkten Arbeitskosten basierenden Gemeinkostenzuschlagssatzes ermittelt, der auf der Grundlage der tatsächlichen Ergebnisse des Vorjahres berechnet wurde.  Diese Kostenrechnung zeigte, dass in jeder der drei Produktgruppen jährliche Verluste zwischen 130.000 und 200.000 USD entstanden.

Die Verlustsituation führte zur Erstellung einer Kostenrechnung, welche die Geschäftstätigkeit des Unternehmens besser widerspiegelt. Die Kostenrechnung erfasst die Fertigungsaktivitäten – sowohl wertschöpfende als auch nicht wertschöpfende – in Gruppen mit ähnlichen Kostenstrukturen:

    1. Der Aufwand und die Arbeiten zur Unterstützung der Produktionsarbeit (Lohnsteuer, Krankenversicherung, Personalunterstützung usw.) wurden von den Aufwendungen für die Leistungsbereitschaft der Produktion abgegrenzt (Abschreibung, Versorgungsleistungen, Instandhaltung, usw.). Nur der Personalaufwand für die direkt fertigungsbezogenen Arbeiten wurde in den Produktionslohnsatz einbezogen Dieser Satz wurde dann zur Kalkulation der direkten Arbeitskosten der produzierten Produkte verwendet.
    2. Der Aufwand und die Arbeiten für das Einrichten von Schmiedepressen und Walzstrassen wurden getrennt in die „Kosten pro Einrichtung“ für jeden Prozess einbezogen. Diese Einrichtungskosten konnten so pro Fertigungsauftrag verrechnet werden.
    3. Die Fertigungsprozesse wurden in drei Gruppen unterteilt: Stanzen, Walzen und Montage von Kraftstofftüren. Die fixen Leistungsbereitschaftskosten der Fertigung (Raumbedarf, Abschreibung, Versorgungsleistungen, Instandhaltung, Qualität usw.) wurden auf der Grundlage von Verbrauchsmetriken oder Schätzungen sachkundiger Personen auf die drei Fertigungsbereiche umgelegt (Fixkosten). Das ergab die drei Vollkostensätze der Fertigung.

Die Kosten und Aktivitäten für die Materiallogistik (Einkauf, Wareneingang, Qualitätsprüfung, Handhabung und Lagerung von Stahl-, Edelstahl- und Bimetallcoils) wurden isoliert und als «Kostensatz pro Pfund» auf die Produkte umgelegt.

Mit diesen (Voll-)Kostensätzen wurden die Gesamtkosten für den Betrieb des Unternehmens bei unterschiedlichen Mengen- und Mischungsszenarien kalkuliert und daraus dann Vollkostensätze für die Kalkulation einzelner Produkte und Kunden berechnet.

Die neuen Vollkostensätze unterschieden sich erheblich von den alten Werten.  Es zeigte sich, dass das Dachgepäckträgergeschäft einen jährlichen Gewinn von 700.000 USD, das Stanzgeschäft einen jährlichen Gewinn von 200.000 USD und das Geschäft mit der Montage von Kraftstofftüren einen jährlichen Verlust von 1,4 Millionen USD erwirtschaftete.  Da die Verluste der letzten Jahre das Unternehmen in eine ziemlich prekäre finanzielle Lage gebracht hatten, sah die Geschäftsleitung nur zwei Handlungsmöglichkeiten: eine Preiserhöhung von 25 % für die Kraftstofftankklappen oder die Aufgabe des Produkts und die Verkleinerung der Produktion auf Dachträger und Stanzteile.  Da eine Preiserhöhung von 25 % höchst unwahrscheinlich war, wurde auf Basis der neuen Kalkulationsgrundlagen ein Plan zum kompletten Rückbau der Kraftstofftankklappen-Produktion erarbeitet.

Die Überlegungen der Kunden

Als Parts Maker dem Kunden die Preiserhöhung um 25% oder die Produktionsaufgabe vorstellte, antwortete dieser: „Wir haben uns schon gefragt, wann Sie es merken würden.  Jedes Jahr, wenn wir Ihr Produkt neu ausschreiben, bietet die Konkurrenz 20 bis 25 % höhere Preise an als Sie“.  Natürlich wurde die Preiserhöhung seitens des Kunden nicht bewilligt, hätte sie doch einen gefährlichen Präzedenzfall für die anderen Lieferanten des Kunden geschaffen.  Hätte Parts Maker die Tankklappe jedoch bereits Jahre zuvor um 25 % höheren Preis angeboten, hätte Parts Maker möglicherweise als günstigster Bieter den Auftrag trotzdem erhalten und wahrscheinlich Gewinn erzielt.

Parts Maker konnte eine „Überbrückungsvereinbarung“ aushandeln. Für einen Preisaufschlag von 25% lieferte das Unternehmen dem Kunden einen dreimonatigen Teilevorrat, damit dieser einen neuen Lieferanten finden konnte. Dieser Kontrakt verschaffte Parts Maker eine Finanzspritze, die half, die Monate des Übergangs zu überstehen. Die Montage der Tankdeckel wurde aufgegeben, der Umsatz reduzierte sich auf 16 Millionen USD, doch der Gewinn vor Steuern stieg auf 500.000 USD. So wurde Parts Maker zu einem attraktiven Übernahmekandidaten und wurde weniger als ein Jahr später an einen grossen Automobilzulieferer verkauft.

Diese Fallstudie wurde vom Profitability Analytics Center of Excellence PACE veröffentlicht. Den englischen Originaltext finden Sie hier: Case Studies | Profitability Analytics Center of Excellence (profitability-analytics.org)

Deckungsbeiträge oder Vollkosten

Im Accounting for Management ist zur Verhinderung von Fehlentscheidungen auf die Umlage fixer Kosten zu verzichten.

Die Pekka Heizsysteme GmbH konnte in der letzten Periode dank guter Verhandlungen ihres Chefs einen grossen Installationsauftrag und einen kleineren Umbauauftrag akquirieren und realisieren. Nun steht die Frage im Raum, welche Art von Aufträgen es in Zukunft vermehrt zu gewinnen gelte. Sind Deckungsbeiträge oder Vollkosten entscheidungsrelevant?

Deckungsbeiträge oder Vollkosten

Ein Berater wurde beauftragt, zu berechnen, ob man sich zukünftig eher auf Umbauaufträge oder auf grosse Installationen neuer Systeme konzentrieren solle. Er präsentierte folgende Berechnung und erklärte, er habe nach der ihm aus der Schule bekannten Methode zuerst die Herstellkosten nach Anzahl Stunden auf die Aufträge verteilt. Die Kosten von Vertrieb und Administration hätte er dann anteilig zu den Herstellkosten den Aufträgen zugerechnet. Das Verdikt sei klar, es empfehle sich nicht, Grossaufträge anzunehmen.

Ergebnisrechnung nach Vollkosten
Ergebnisrechnung nach Vollkosten

Der Projektleiter des grossen Installationsprojekts war einerseits stolz darauf, dass die Pekka-Heizsysteme GmbH diesen Grossauftrag erfolgreich umsetzen konnte, andererseits wegen des massiven Verlusts frustriert. Deswegen fragte er einen Freund, ob die Berechnung richtig sei. Dieser erstellte folgende Rechnung:

Deckungsbeiträge oder Vollkosten
Deckungsbeiträge oder Vollkosten

Er begründete, die Fixkosten der Produktion (hier: Leitungspersonal, Abschreibung, Gebäude) könne man nicht verursachungsgerecht auf die einzelnen Aufträge verteilen, da sie auch entstehen würden, wenn gar keine Aufträge da wären. Aus seinen Zahlen sei nachvollziehbar, dass das Unternehmen ohne den Grossauftrag 1 einen Verlust von 430’000 geschrieben hätte, weil der Deckungsbeitrag von 470’000 weggefallen wäre (das Einzelmaterial wäre nicht beschafft und die Mitarbeiter zur Auftragsabwicklung nicht eingestellt worden).

Der Freund zeigte ihm mit folgendem Beispiel, dass die Anwendung anderer Kostenumlageschlüssel trotz gleicher Ausgangslage jedes Mal zu anderen Auftragsergebnissen führt. Keines der Ergebnisse kann richtig sein, weil Kosten verteilt werden, welche für die Gesamtheit anfallen.

Andere Umlageschlüssel = andere Produktrentabilitäten
Andere Umlageschlüssel = andere Produktrentabilitäten

Als Erkenntnis bleibt, dass eine Vollkostenrechnung für das Management Accounting nicht geeignet ist, weil Führungskräfte sowohl in der Planung als auch im konkreten Anwendungsfall wissen müssen, welches Kostendelta dem Nettoerlös eines zusätzlichen Auftrags gegenübersteht.

Gerade weil in verschiedenen Standards zur Rechnungslegung und in Steuergesetzen die Erstellung einer Vollkostenrechnung gefordert wird, braucht es im Management Accounting den Mut, auf Umlagen zu verzichten, weil sonst Führungskräfte falsche Entscheide treffen.

Die Vollkosten eines Produkts sind immer falsch!

Die vollen Kosten eines Produkts und sein Stückgewinn lassen sich nicht richtig berechnen.

Die Vollkosten eines Produkts sind immer falsch!

Ein Ingenieur und Vorstand wollte uns beauftragen, eine Kostenrechnung zu entwickeln, welche pro Produkt (Artikelnummer) die Vollkosten und den Gewinn vor Abzug von Zinsen und Steuern ausweist (EBIT). Dazu ist die artikelweise Berechnung der vollen Herstellkosten und der Selbstkosten erforderlich (Nettoerlös – Selbstkosten = EBIT).

Wir haben diesen Auftrag nicht angenommen!

Obwohl es längst wissenschaftlich bewiesen und empirisch belegt ist, dass Vollkosten (volle Herstellkosten oder Selbstkosten) nicht zu entscheidungsrelevanten Erkenntnissen führen können, wird immer wieder versucht, die Vollkosten pro Produkteinheit zu berechnen. Die Methodik des „Betriebsabrechnungsbogens“ wird noch an sehr vielen Schulen gelehrt und leider auch in der Praxis noch zu oft angewendet.

Beispiel Handelsbetrieb

Schon in einem einfachen Handelsunternehmen welches nur ein einziges Produkt verkauft, ist nachvollziehbar, dass Vollkosten nicht belastbare Werte sind:

    • Der Einstandspreis pro Stück wird mit dem Lieferanten vereinbart. Er kann eindeutig der verkauften Einheit zugeordnet werden.
    • Die Beschaffungskosten (Verpackung, Fracht, Versicherung) sind von der Bestellmenge abhängig. Sie werden durch die Bestellung (Entscheidung) verursacht, nicht durch das einzelne Stück.
    • Die Kosten der Einkaufsabteilung (Personal- und Sachkosten) werden durch die Grösse der Abteilung bestimmt (Entscheidung) und nur indirekt durch die eingekaufte Menge.
    • Werbe- und Verkaufsförderungskosten sind die Folge von Entscheidungen über Verkaufsmassnahmen. Diese Kosten werden zudem entschieden, bevor verkauft wird. Sind sie nun zur geplanten oder zur wirklich verkauften Menge in Beziehung zu setzen?
    • Sinngemäss gilt dies auch für die Kosten der Infrastruktur und der Unternehmensleitung.

Die Vollkosten eines Produkts sind immer falsch
Die Vollkosten eines Produkts sind immer falsch

Das Zahlenbeispiel zeigt, wie sich die Stück-Vollkosten verändern, wenn in Plan und Ist unterschiedliche Mengen oder andere Strukturkosten vorkommen.

Obwohl die direkt durch das verkaufte Produkt verursachten Kosten pro Stück  immer gleich sind (proportionale Kosten), ergeben sich in jeder dargestellten Situation andere Vollkosten (volle Herstellkosten oder Selbstkosten) pro Stück. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die durch Managemententscheid festgelegten Strukturkosten (Fixkosten) mit der Schlüsselgrösse «Absatzmenge» auf die Produkteinheit umgelegt wurden.

Erweiterung für den Produktionsbetrieb

Wird das Beispiel für ein Unternehmen mit mehreren Produkten und evtl. auch Halbfabrikaten erweitert, sind zusätzliche Schlüsselgrössen einzusetzen. Denn die ans Lager gelieferten Teile müssen anteilig die Fixkosten der Beschaffung und der Leistungsbereitschaft der Produktion tragen (volle Herstellkosten). Auf die verkauften Einheiten müssen die Fixkosten von Verkauf und Marketing, sowie von den verbleibenden internen Funktionen und der Gesamtleitung umgelegt werden, um die Selbstkosten pro Einheit zu berechnen. Mit welchen Schlüsselgrössen diese Umlagen auch immer bewerkstelligt werden, ist folglich immer falsch. Denn alle Fixkosten werden durch Managemententscheidungen freigegeben (Budget) und sind auch im Ist nur indirekt von den hergestellten oder verkauften Einheiten abhängig.

Nur die durch die eigentliche Herstellung einer Produkteinheit verursachten Kosten können eindeutig einer Produkteinheit zugeordnet werden. Dahinter stehen Verbräuche von Rohmaterial, Fremdleistungen, Halbfabrikaten und eigenen Fertigungsleistungen. Diese werden durch Stücklisten, Arbeitspläne und Rezepte, also technische Ursache-Wirkungsketten bestimmt.  Das sind die proportionalen (Plan-)Herstellkosten. Zwischen den erwähnten Fixkosten der Supportfunktionen und den hergestellten oder abgesetzten Einheiten besteht nie ein direkter Verursachungszusammenhang.

Auf den Punkt gebracht:

Einen zweifelsfreien Gewinn pro Stück vor Abzug von Steuern und Zinsen (EBIT) gibt es nicht, weil zu seiner Berechnung zur nicht verursachungsgerechten Umlage von Fixkosten gegriffen werden muss.

«Möglichst verursachungsgerecht» gibt es ebenso wenig, weil mangels direkter Ursache-Wirkungskette trotzdem zu einem Umlageschlüssel gegriffen werden muss.

Diese Erkenntnis gilt es bei der Gestaltung des entscheidungsrelevanten Management Accountings zu beachten. Denn Führungskräfte  argumentieren richtigerweise, dass sie nur für Kostenelemente verantwortlich sein können, deren Höhe sie direkt selbst beeinflussen können.

Zum Download des Artikels: „Umlagen: eine oder keine?“

10 Regeln für die Entscheidungsrelevanz

Wer Kosten und Erlöse verantworten soll, muss sicher sein, dass er die entsprechenden Positionen direkt und selbst beeinflussen kann.

10 Regeln für die Entscheidungsrelevanz

Führungskräfte benötigen ein entscheidungsrelevantes Management Accounting System. Sie müssen Ziele in Plänen quantifizieren, die erreichten Ergebnisse mit den Plänen vergleichen können, die entstandenen Differenzen belegen und  Verbesserungsideen finden sowie diese bewerten können. Zudem soll das Management Accounting Unterstützung bei der Einschätzung der Erwartung (Forecast) bieten.

Kosten-/Leistungsrechnung muss folglich in erster Linie der Entscheidungsunterstützung dienen. Es soll Accounting for Management betrieben werden.

Diese Entscheidungsrelevanz  zu generieren, erfordert nach unseren praktischen Erfahrungen die Anwendung folgender zehn Gestaltungsregeln:

1 Mit Standards arbeiten

Führen bedeutet zielorientiertes Vorgehen. Ziele müssen folglich für jede Führungsperson in die Form messbarer Zielgrössen gebracht werden. Soweit es sich um Leistungen, Kosten und Erlöse handelt, kann dafür das Standardsystem verwendet werden: Standards und das Standardkostensystem sind nicht neu, sie wurden in der Literatur und in der Praxis oft beschrieben. Neu ist das Gewicht, welches diese Methoden in der führungsorientierten Ausgestaltung der Kostenrechnung erhalten.

Für einen Rohstoff  legt der Einkäufer den im Planjahr zu erreichenden durchschnittlichen Einstandspreis fest (Plan-EP). Für den Einkauf ist dieser Wert der Massstab anhand dessen er seine Zielerreichung messen kann. Durch den Ausweis von Einstandspreisabweichungen kann der Einkauf nachvollziehen, wie gut es ihm gelungen ist, die Zielpreise zu realisieren.

Für die Verwender des Artikels, z. B. in der Produktion, ist der Plan-EP der im Verlauf des Jahres unveränderte Wert für den Verbrauch einer extern beschafften Einheit. Das gilt auch, wenn die Einstandspreise stark schwanken.

2 Einzelkosten planen und erfassen

Eine Führungskraft besteht zu Recht darauf, dass ihr respektive ihrem verantworteten Bereich nur Leistungen, Verbräuche, Werte und Erlöse zugeordnet werden, die sie oder ihre Mitarbeitenden direkt beeinflussen und damit auch verantworten können. Dazu gehören: Bezüge ab Lager, Einkäufe direkt auf Kostenstelle (Verantwortungsbereich) oder Leistungen anderer Kostenstellen, sofern der Leistungsbezug direkt durch den Empfänger bestimmt werden kann (echte innerbetriebliche Leistungsverrechnung).

3 Proportionale Kosten und Fixkosten klar unterscheiden

Proportionale Kosten werden direkt durch die hergestellte Leistungsmenge verursacht. Fixe oder Strukturkosten sind die Folge von kapazitativen und strukturellen Entscheidungen der Führungskräfte. Proportionale Kosten können eindeutig den erzielten Umsätzen gegenübergestellt werden, weil sie durch die Menge und die Produktstruktur getrieben werden. Fixe Kosten sind die Folge von Managemententscheidungen und durch den entscheidenden Manager zu verantworten.

4 Erlösschmälerungen verursachungsgerecht planen und erfassen

Boni und Rückvergütungen werden meistens im Nachhinein auf der Basis eines in einer Periode erreichten Umsatzes gewährt. Ob Skontokonditionen ausgenutzt werden, lässt sich erst nach Zahlungseingang feststellen. Erlösschmälerungspositionen müssen monatlich den verkauften Einheiten zugeordnet werden, damit sich das Unternehmen unterjährig nicht «zu reich» rechnet. Weil die effektiv beanspruchten Erlösschmälerungen zum Berichtszeitpunkt noch nicht bekannt sind, sind hier ebenfalls Standardsätze anzusetzen und in der Planung und Berichterstattung  in Abzug zu bringen.

5 Bestandsänderungen immer zu Standard bewerten

Wie beim Bezug von Rohstoffen die Plan-Einstandspreise, sollen auch bei der Bewertung von Zu- und Abgängen im Halbfabrikate- oder Fertigwarenlager sowie bei der Bewertung von Ware in Produktion (WIP) Standardsätze angewendet werden. Das bedeutet, dass alle auf Fertigungsaufträge erbrachten Fertigungsleistungen immer zu Standardkosten (prop. Plankostensatz der jeweils leistenden Kostenstelle) bewertet werden. Zugänge ans Halbfabrikatelager werden mit den plankalkulierten prop. Herstellkosten bewertet, ebenso Entnahmen von Fertigprodukten für den Verkauf.

Auch dieses Prinzip ergibt sich aus der Führungsorientierung. Entstehen in einer leistungserbringenden Kostenstelle Abweichungen gegenüber der Planung, hat der Kostenstellenleiter dafür zu sorgen, dass diese Abweichungen durch Korrekturmassnahmen wieder aufgeholt werden. Leistungsbezüger, seien es ein Verantwortlicher für Fertigungsaufträge oder ein Kostenstellenleiter, der innerbetriebliche Leistungen bezieht, können nicht direkt auf diese Abweichungen Einfluss nehmen.

Aus Führungssicht ist es folglich richtig, Abweichungen immer am Entstehungsort auszuweisen und nicht an die beziehenden Einheiten weiterzuverrechnen. Abweichungen werden in der Ergebnisbetrachtung dort zugeordnet, wo sie entstanden sind. Ihre Weiterverrechnung wäre sowieso nur mittels Umlagen möglich, da wie erwähnt kein direkter Verursachungszusammenhang zwischen der Abweichungsursache und den Handlungen des Bezügers besteht.

6 Standard-Herstellkosten für die Deckungsbeitrags- und Erlösrechnung

Den geplanten und den realisierten Erlösen (brutto und netto) sollen immer nur die proportionalen Standard-Herstellkosten der verkauften Produkte gegenübergestellt werden. Für Abweichungen auf der Herstellkostenseite sind die Leistungserstellungsbereiche verantwortlich; der Verkauf steht für die realisierten Nettoerlöse gerade.

7 Jahresendbestände umwerten

Die Anwendung des Standardsystems für die Zieloperationalisierung in der Kostenrechnung bringt es mit sich, dass beim Übergang vom alten zum neuen Jahr auch alle Bestände mit den Planansätzen des neuen Jahres bewertet werden müssen. Wird z. B. ein Artikel im neuen Planjahr wegen Preissteigerungen im Einkauf teurer oder steigen wegen höherer Personalkosten die proportionalen Plankostensätze gegenüber dem Vorjahr, sind die am Jahresende im Management Accounting die vorhandenen Bestände mit den neuen Standardsätzen umzuwerten, sollen im Planjahr nicht Äpfel mit Birnen verglichen werden.

Diese Umwertung muss ergebnisneutral erfolgen, da die Ergebnisbeurteilung des laufenden Jahres auf den Standardsätzen des laufenden Jahres basiert, diejenige des Folgejahres aber auf den Planwerten des Folgejahres.

8 Kalkulatorische Abschreibung des Anlagevermögens von Wiederbeschaffungswerten

Um den verantwortlichen Managern ein Gefühl zu geben, welche Anlagenkosten für die Herstellung der Produkte und Dienstleistungen entstehen und welches der aktuelle Vermögenseinsatz für den Betrieb des Unternehmens ist, empfiehlt es sich, Wiederbeschaffungswerte anzuwenden. Dazu ist zu beantworten: «Wie viel müsste für ein Anlagegut heute bezahlt werden, wenn es neu zu beschaffen wäre und welche Plan-Nutzungsdauer hat das Management für dieses Gut zum Beschaffungszeitpunkt vorgesehen?» Aus diesen Angaben kann die kalkulatorische Abschreibung pro Anlageobjekt und damit auch pro Kostenstelle berechnet werden. Die Summe der Restwerte der kalkulatorisch vom Wiederbeschaffungswert abgeschriebenen Anlagegüter zeigt dem Management, wie viel heute unter Berücksichtigung des Alters der Anlagen zu investieren wäre, um das vorhandene Nutzen- und Leistungspotenzial wieder zu beschaffen (betriebsnotwendiges Anlagevermögen).

9 Keine Fixkosten umlegen

Fixe Kosten werden weder von einer Kostenstelle an eine andere weiterbelastet, noch auf hergestellte oder verkaufte Artikel umgelegt. Denn die Höhe der Fixkosten wird durch die Entscheidungen des jeweiligen Kostenstellenleiters und seiner Vorgesetzten bestimmt und damit auch von diesen Personen verantwortet.

Fixkosten können nie verursachungsgerecht weiter verrechnet werden, da der sogenannte «möglichst realistische Verursachungszusammenhang» real nicht existiert, sondern mit einer Schlüsselgrösse konstruiert wird. Als Folge dieser Erkenntnis werden in einem führungsorientierten Management Accounting weder volle Herstellkosten noch Selbstkosten pro Einheit berechnet. Die fixen Kosten werden als Kostenblöcke in die stufenweise Deckungsbeitragsrechnung weitergegeben.

10 Nur direkt beeinflussbare Erlös- und Kostengrössen in die Berichte

Eine Führungskraft kann nur verantworten, was sie auch direkt selbst beeinflussen kann. Alle Pläne und Auswertungen zu Erlösen und Kosten sollen immer auch leistungsbezogen präsentiert werden, damit der Adressat den Zusammenhang sofort erkennt. Nicht beeinflussbare Positionen (z. B. Umlagen) sind gar nicht zu zeigen. Vorleistungen aus anderen Bereichen sollen wie beschrieben immer zu proportionalen Standardsätzen bewertet sein, da die Beeinflussung beim Leistungsersteller erfolgt. Der Berichtsempfänger soll für sich ableiten können, in welchem Zeitraum er einzelne Positionen verändern kann.

Das Management Accounting entscheidungsrelevant und verantwortungsgerecht aufbauen.

Die entscheidungsrelevante Kosten-/Leistungsrechnung ist immer so aufzubauen, dass jede Führungskraft für ihren Bereich umgehend erkennen kann, für welche Positionen sie direkt die Verantwortung übernimmt und folglich auch reagieren muss, wenn die reale Entwicklung nicht plangemäss verläuft und Korrekturmassnahmen erfordert.

Diese zehn Gestaltungsprinzipien für das Management Accounting widersprechen in einigen Punkten der gängigen (extern orientierten) Rechnungslegungspraxis. Viele ERP- und Kostenrechnungssysteme können jedoch (ohne Softwarewechsel) für die konsequente Managementorientierung umgestellt werden.

Insoweit die externe Berichterstattung, das lokal geltende Steuerrecht oder die Bestimmung von Verrechnungspreisen den Ausweis von vollen Herstellkosten erfordern, sollen diese Berechnungen ausserhalb des Management Accountings vorgenommen werden. Externe Abschlüsse sollen nur denjenigen Führungskräften gezeigt werden, die (Mit-) Verantwortung für diese Abschlüsse tragen, damit die unterschiedlichen Wertansätze nicht Verwirrung stiften.