Investitionsrechnung dynamisch
Grundprinzip einer Investition: Es wird heute Geld ausgegeben, um in Zukunft mehr Geldrückflüsse oder weniger Geldabflüsse zu haben. Unternehmen, NGO’s, NPO’s und Privatpersonen müssen immer wieder entscheiden, ob sie ihr zur Verfügung stehendes Geld in Unternehmen, Anlagen oder Prozessverbesserungen investieren sollen. Ein Investitionsentscheid setzt eine Planungsrechnung voraus, welche zeigen soll, ob die vorgesehenen Geldabflüsse und Geldzuflüsse während der erwarteten Nutzungszeit der Investition eine marktgerechte Verzinsung erzielen können.
Einfaches Beispiel 1: Vergabe des Umgebungsunterhalts an eine externe Organisation. Folge dieser Entscheidung sind: Zusätzliche Geldausgaben für das Unterhaltsabonnement und wegfallende Geldausgaben = entfallende Personalkosten für den bisher eigenen Gärtner.
Komplexeres Beispiel 2: Herstellung und Verkauf einer neuen Produktgruppe durch ein bestehendes Unternehmen.
Im Beispiel 1 ist es aus finanziellen Gesichtspunkten ausreichend, den Saldo aus den erwarteten Zahlungen für das Unterhaltsabonnement mit den Personalkosten für die bisher intern geleistete Arbeit zu vergleichen.
Im Beispiel 2 soll mit einer neu einzuführenden Produktgruppe zusätzlicher Umsatz und damit auch zusätzlicher Deckungsbeitrag erzielt werden (Geldrückflüsse). Dazu sind Initialinvestitionen ins Anlagevermögen notwendig, durch die Umsatzausweitung werden die Forderungs- und die Lagerbestände ansteigen und in einzelnen Funktionsbereichen wird mehr Personal erforderlich sein. Diese Aktionen werden zu zusätzlichen Geldabflüssen führen. Weiter ist zu berücksichtigen, dass sowohl Nettoerlöse als auch Geldabflüsse dem Lebenszyklus dieser neuen Produktgruppe unterworfen sein werden, also in den Planjahren des Investitionsprojekts zu sich ändernden Netto-Geldflüssen führen werden.
Für beide Fälle sind für die anstehende Entscheidung Geldflussbetrachtungen zu erstellen. Für das komplexere Beispiel der Einführung einer neuen Produktgruppe sind diese Betrachtungen für einen Mehrjahreshorizont zu erstellen, weil die Zu- und Abflüsse von Geld in unterschiedlichen Jahren erfolgen können. Nach unserer Erfahrung eignet sich dazu folgende Struktur:
Diese Struktur kann allgemeingültig für Investitionsrechnungen verwendet werden, da sie alle Elemente von Geldzu- und -abflüssen enthält. Bezüglich Beispiel 1 wären die Geldabflüsse die Zahlungen für das Unterhaltsabonnement, die Geldzuflüsse die eingesparten baren Personalkosten für den bisherigen Mitarbeiter. Die Einführung einer neuen Produktgruppe (Beispiel 2) erfordert die Eingabe aller in der Tabelle aufgeführten Positionen, weil sich dieses Investitionsvorhaben sowohl auf die Ergebnisrechnung als auch auf die Bilanz auswirkt.
Deshalb empfiehlt es sich, die Investitionsrechnung so zu erstellen, dass die jährlich zu erwartenden Geldflüsse erkennbar sind und für jedes Jahr abgezinst werden können. Im Beispiel zur Produkteinführung sind diese Geldflüsse wie folgt geplant:
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- Das Jahr 0 ist der Beginn der Umsetzung des Entscheids, die Hauptinvestition von 50 Mio. ist dann zu bezahlen (Zeile 11).
- In Jahr 1 fallen weitere Zahlungen für Einführungsarbeiten von 1.0 Mio. an, zudem verursacht die Erhöhung des Personalbestands in der Fertigungsleitung jährlich Zusatzausgaben von 0.4 Mio. (Zeile 4).
- Weiteres zusätzliches Personal ist in den Bereichen Einkauf und Lager sowie Marketing / Verkauf/ Vertrieb notwendig. Die Ausdehnung des Geschäftsvolumens wird ab Jahr 3 auch eine zusätzliche Person in der Verwaltung erfordern (Zeilen 5-7)).
- Die zusätzlichen baren Fixkosten dieses Projekts sind in Zeile 8) zu erkennen.
- In Zeile 9 ist der Nettonutzen des Investitionsprojekts aufgeführt (Geldzufluss).
- Zeilen 10 + 11 zeigen den Einfluss des Projekts auf das investierte Vermögen und auf die kurzfristigen Schulden im Verlauf der Jahre.
- Am Ende des Projekts (hier Jahr 5) werden die aufgebauten Forderungs- und Lagerbestände wieder aufgelöst. Eventuell kann auch ein Liquidationserlös für die nicht mehr genutzte Anlage erzielt werden (Zeilen 10, 12 + 13).,
- Der Jahressaldo der Geldflüsse ergibt sich in Zeile 14.
- Das Beispiel endet aus Platzgründen am Ende des Jahres 5, kann jedoch nach Bedarf für mehr Jahre erweitert werden.
Addiert man die nominalen Geldrückflüsse in Zeile 14, ist zu erkennen, dass die Investitionen im Laufe des Jahres 3 komplett zurückbezahlt sein werden (Payback-Dauer).
Der Zeitwert von Geld
Wer Geld zur Verfügung stellt, sei es das Unternehmen selbst oder ein Investor, erwartet für diese Leistung eine Vergütung in Form eines Zinses. Entspricht beispielsweise ein Jahreszins von 10% den aktuellen Geldmarktbedingungen, muss ein Unternehmen am Ende eines Jahres für einen Kredit von 1’000 einen Zins von 100 bezahlen. Soll der Geldgeber das Geld für mehrere Jahre zur Verfügung stellen (Beispiel 2), wird er sich die Frage stellen, ob er seine Investition mit Zins und Zinseszins vergütet erhalten wird. Er will demzufolge zum Entscheidungszeitpunkt wissen, welches (aus seiner Sicht) der Barwert der Investition über die gesamte Laufzeit des Kredits sein wird und ob diese Rendite einem Vergleich mit anderen möglichen Investitionen standhält.
Investoren fragen sich also: Wieviel ist eine Zahlung heute wert, welche ich erst in der Zukunft erhalten werde? Setzen sie, wie im Beispiel, eine Zielverzinsung von 10% jährlich an, ergibt sich:
10% Zins für 1’000 Investitionssume = 100 p.a.
Dieser Betrag ist am Jahresende zu bezahlen. Also ist der Wert der Zinszahlung am Jahresanfang, resp. zum Zeitpunkt der Entscheidung für die Investition 90,9091 ((100 : (1+Zinssatz 10%) = 90,91).
Fällt der Zins von 100 erst am Ende des Jahres 2 an, sind die 90.91 nochmals durch den Zinssatz dividiert werden (90,91 : (1+Zinssatz)) = 0,826). In der Zinseszinsrechnung wird die Formel, 1 : Zinssatz ^Anzahl Jahre verwendet. Es resultieren die Barwertfaktoren, welche in Zeile 15 für den Satz von 10% ausgewiesen werden. Die entsprechenden Barwerte der Planjahre ergeben sich in Zeile 16. In Zeile 17 ist zu erkennen, dass die kumulierten Barwerte erst zu Beginn des Jahres 4 ausreichen werden, das Total der Investitionen und Devestitionen (Zeilen 10 und 11) mit 10% zu verzinsen.
Insgesamt sollten gemäss Plan die kumulierten Barwerte im Beispiel 2 bis Ende des Jahres 5 um 30,298 Mio. höher ausfallen als die Investitionen in den Jahren 0 und 1. Beim Aufbau des Beispiels wurde davon ausgegangen, dass die Lebenskurve der Produktgruppe in den Jahren 1-2 ihre Aufbau- und Wachstumsphase durchlaufen wird, in den Jahren 3 und 4 an die Sättigungsgrenze stossen wird und dass im Jahr 5 die Ausstiegsphase beginnt. Die Investitionsrechnung wird durch die Barwertbetrachtung dynamisch.
Dieses Excel-Modell für die Quantifizierung von Investitionsprojekten lässt sich hier herunterladen, den eigenen Bedürfnissen anpassen und um weitere Projektjahre ergänzen. Es eignet sich insbesondere für die Quantifizierung von Strategien. Mit der Excel-Formel «IKV, Interne Kapitalverzinsung» kann auch der Interne Zinsfuss (Ertragssatz) des Projekts berechnet werden (sh. die 16,9% rechts in Zeile 18). Dabei ist zu beachten, dass in dieser Formel angenommen wird, dass die Geldrückflüsse ebenfalls zu diesem Prozentsatz wieder angelegt werden können.
Marktgerechte Verzinsung
Zwecks einfacherer Nachvollziehbarkeit wurde im Beispiel eine Verzinsung von 10% angenommen. Die marktgerechte Verzinsung, also die Verzinsung im Vergleich zu Investitionen in andere Unternehmen mit gleichem Risiko kann durch Vergleich mit der Rentabilität des Gesamtmarkts ermittelt werden.
Wie der marktgerechte Gewinn für ein bestimmtes Unternehmen oder eben eine geplante Investition unter Berücksichtigung der Finanzierungsstruktur und des Marktrisikos einer Branche ermittelt werden kann, wird im Beitrag «Marktgerechter Gewinn» sowie im Detail im Buch «360°-Management» im Anhang B erläutert. Dort ist auch festzustellen, dass die oben angenommenen 10% der Marktrealität in Deutschland gut entsprechen.
Fallstricke bei der Anwendung der dynamischen Investitionsrechnung
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- Abschreibungen, ob buchhalterisch oder kalkulatorisch, haben in einer Investitionsrechnung nichts zu suchen. Denn durch die Berücksichtigung der Investitionsbeträge ist in der Investitionsrechnung der Geldabfluss schon berücksichtigt.
- Ebenso wenig sind steuerliche Konsequenzen von Investitionen einzurechnen, da der zu erzielende Rentabilitätssatz sich auf den Gewinn vor Abzug von Zinsen und Steuern bezieht.
- Auch einsparbare Steuerbetreffnisse sind nicht entscheidungsrelevant. Denn die Steuern werden vom ausgewiesenen Gewinn nach Fremdzinsen berechnet. Letzterer kann sich auch negativ entwickeln, wenn ein Investitionsprojekt gut läuft, die Marktsituation aber zu Umsatzeinbrüchen und damit zu weniger Jahresgewinn führt.