Aktualisiert am 15-11-24 durch Lukas Rieder Dr. oec.
ERP und Management Accounting im Verbund
Um Kundenbedürfnisse zu erfüllen und im Unternehmen marktgerechte Gewinne zu erzielen, planen und steuern Führungskräfte personelle und sachliche Kapazitäten, Leistungen und Verbräuche. Das gilt stufenübergreifend vom Kostenstellenleiter bis zum CEO.
Ausgehend vom Planungs- und Steuerungskreislauf und von den Abhängigkeiten zwischen den verschiedenen Teilplänen zeigt dieser Beitrag, wie das Management Accounting-System, also die Kosten-, Leistungs-, Erlös- und Ergebnisrechnung (KLEER) zu gestalten ist, damit Führungskräfte aller hierarchischen Ebenen die entscheidungsrelevanten Kosten und Erlöse planen, erfassen und steuern können.
Am Beispiel einer Pizzeria wird schrittweise dargestellt, wie das Steuerungssystem von den Stücklisten bis zur Ergebnisrechnung aufzubauen ist, damit der Unternehmer entscheiden kann.
Das Beispiel ermöglicht es, die Abhängigkeiten zwischen einem ERP-System und dem Management Accounting darzustellen. Es wird gezeigt, in welchen Modulen die Daten zu erfassen und zu pflegen sind und wie sich die Führungsentscheide auf die Monats- oder Jahresergebnisse auswirken.
Anforderungen aus dem Führungskreislauf
Führungskräfte aller Ebenen beschäftigen sich meistens zuerst mit Zielfindung und Zielvereinbarung. Pro Führungsbereich ist festzulegen, was in welchen Zeiträumen zu erreichen ist (1). Daraus werden umzusetzende Massnahmen abgeleitet (2).
Ist der Planungsprozess abgeschlossen und zur Umsetzung freigegeben, folgen die Anordnung der Massnahmen (3) und deren Umsetzung.
Während und nach der Ausführung sind die erreichten Istwerte zu erfassen (4), um Zielerreichungsgrade ermitteln zu können. Die jeweilige Führungskraft vergleicht die zu erreichenden Leistungen oder Werte (5) mit den gemessenen Resultaten (4) und überlegt sich, ob und welche Korrekturmassnahmen (6) in den Folgeperioden umzusetzen sind, damit die ursprünglichen Ziele erreicht werden.
Dieser Kreislauf stammt aus dem St. Galler Management-Modell (vgl. Literaturverzeichnis). Er ist in einfacherer Form auch als «Deming-Cycle» mit plan-do-check-act bekannt. Er gilt sowohl in der strategischen als auch in der operativen Führung. Denn in beiden Ebenen werden Planungs- und Steuerungsentscheide getroffen, die sich auf Erlöse, Kosten, Vermögen und Schulden auswirken.
Die Planung steht deshalb im Vordergrund, weil alle Entscheidungen für die Zukunft getroffen werden. Zudem ist der Plan der Massstab für die Beurteilung des Erreichten. Zu Vergleichszwecken muss zwar Vergangenes dokumentiert werden, Fakten lassen sich jedoch nicht mehr ändern.
Geplant und gesteuert werden Mengen, Zeiten und Kapazitäten, sowie Neu- oder Weiterentwicklungen und Investitionen.
Weil auch die beste Finanzbuchhaltung nur Werte abbilden kann, bedarf es für die umfassende Unternehmenssteuerung des Management Accountings, also einer Kosten- Leistungs-, Erlös- und Ergebnisrechnung KLEER, die Plan-Soll- und Istwerte abbilden kann.
Zu erarbeitende Teilpläne und ihre Inhalte
Voraussetzung für die Umsetzung des Führungskreislaufs sind vor allem die Daten im Planungs- und Steuerungssystem, allgemein als Enterprise Resource Planning System (ERP) bekannt. Im ERP sind zu planen:
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- Die im Planjahr herzustellenden Produkte oder Dienstleistungen mit Planmengen pro Artikel. Diese werden im Absatz- und im Produktionsplan erarbeitet und gespeichert.
- Die dazu erforderlichen Einsatzmaterialien werden mit Vorgabemengen im ERP-System in Stücklisten
- Auch eventuelle Fremdleistungen, welche für die herzustellenden Produkte von Zulieferern bezogen werden, sind in den Stücklisten zu berücksichtigen
- In den Arbeitsplänen des ERP-Systems werden pro Artikeleinheit und Kostenstelle die geplanten Bearbeitungszeiten gespeichert, damit der Zeitbedarf für die Herstellung berechenbar wird. Dazu gehören auch die Rüst- und Einrichtezeiten der Bearbeitungsanlagen.
- In den Kostenstellen wird der Leistungsbedarf, also die Planbeschäftigung berechnet. Der erforderliche Personalbestand, und die dadurch entstehenden Personalkosten leiten sich daraus ab. Zudem sind die Sachkosten für den Betrieb der Kostenstelle zu planen.
- Die Bearbeitungskapazitäten werden im ERP pro Maschine oder Kostenstelle gespeichert. Mit ihnen lässt sich berechnen, ob sich der Produktionsplan ohne Engpässe umsetzen lässt.
- Weil der Wert der vorhandenen Anlagen durch ihre Nutzung oder durch technische Neuerungen abnimmt, sind in den Kostenstellen auch die kalkulatorischen Abschreibungen zu belasten.
Die Verbindungspfeile zeigen, dass bei der Planung und Steuerung Mengen, Leistungen und Bestände im Vordergrund stehen. Deshalb muss das Management Accounting-System für die Planung und Steuerung direkt mit den Leistungs- und Verbrauchsdaten im ERP-System verlinkt sein. Erst diese Verbindung ermöglicht die Anwendung des Führungskreislaufs.
Zudem ist das Management Accounting-System so zu gestalten, dass es Plan-, Soll- und Istwerte abbilden kann. Diese Anforderung ergibt sich aus dem Führungskreislauf.
Praxisbeispiel Pizzeria
Die geschilderten Zusammenhänge werden am Beispiel einer Pizzeria nachvollzogen.
Will sich ein Pizzaiolo selbständig machen, überlegt er sich, welche Material- und Arbeitskosten direkt pro Pizza entstehen werden und welche Kosten von der Betrachtungsperiode (Tag, Monat, Jahr) abhängig sein werden.
Sein Plan ist es, dass die Pizzeria jährlich 230 Tage von 11-19 Uhr geöffnet sein soll. Wochenenden, Feiertage und Ferien sind abgezogen.
Pro Öffnungstag sollen 102 Pizzen zum gewichteten Durchschnittspreis von EUR 10.00 verkauft werden. Das entspricht einem Jahres-Planerlös von EUR 234’600. Mit diesen Grundannahmen steigt er in die Planungsrechnung ein.
Plankalkulation der Pizzaböden
Um in Stosszeiten die Kundschaft rasch bedienen zu können, stellt sein Gehilfe die Pizzaböden her und backt sie im Ofen vor. Diese Pizzaböden sind die Halbfabrikate. Der Gehilfe arbeitet an allen 230 Öffnungstagen je 4 Stunden. Im Pizzaofen finden 8 Teige Platz.
Inklusive Lohnnebenkosten belaufen sich die jährlichen Personalkosten des Gehilfen auf 23’000 EUR. Er arbeitet jährlich 230 Tage je 4 Stunden. Das ergibt pro Arbeitsstunde 25.— EUR oder 0,417 EUR pro Arbeitsminute.
Im Pizzaofen finden 8 Pizzaböden Platz. Die Stückliste zeigt die Planmaterialverbräuche für acht Teige. Diese werden mit den erwarteten Einstandspreisen multipliziert. So ergeben sich die 3.68 EUR direkte Materialkosten pro Charge oder von 0,46 EUR pro Teig.
Gemäss Arbeitsplan benötigt der Gehilfe 16 Minuten für die Aufbereitung von 8 Pizzaböden. Pro Teig ist sind das 2 Minuten Arbeitszeit zu 0,417 EUR. Das ergibt die 0,833 EUR proportionale Fertigungskosten pro Teig. Die proportionalen Plan-Herstellkosten pro vorgebackenen Pizzaboden betragen somit 1,293 EUR. Das sind die Halbfabrikatekosten.
Der Pizzaiolo arbeitet während 230 Tagen je 9 Stunden, hat also eine jährliche Präsenzzeit von 2’070 Stunden. Seine jährlichen Personalkosten Inklusive aller Sozialleistungen plant er mit 82’800 EUR. Pro Präsenzstunde sind das 40 EUR, pro Minute 0,667 EUR.
Für die Belegung und das Fertigbacken einer Pizza benötigt er 4 Min, was proportionalen Fertigungskosten pro Pizza von 2,667 EUR entspricht.
Zusammengenommen verursacht eine Pizza folgende Kosten:
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- Ein vorgebackener Pizzaboden kostet, wie oben gezeigt 1,2933 EUR.
- Die Zutaten für die Belegung (Käse, Fleisch, Fisch, Gemüse, Früchte) berechnet der Pizzaiolo mit 1,25 EUR pro durchschnittliche Pizza.
- Für seine eigene Arbeit rechnet der Pizzaiolo mit 4 Minuten oder 2,667 EUR pro Pizza.
Aus diesen Angaben ergeben sich die proportionalen Plan-Herstellkosten von 5,21 EUR pro fertige Durchschnittspizza. Sie «schlüpfen» in jede Pizza hinein.
Zieht der Pizzaiolo vom durchschnittlichen Verkaufspreis von 10,00 EUR pro Pizza die proportionalen Herstellkosten von 5,21 EUR ab, verbleibt der Deckungsbeitrag I von EUR 4,79 pro verkaufte Pizza. Dieser dient der Deckung der Fixkosten und des Gewinns.
Planergebnisrechnung
Es ergibt sich folgende Planergebnisrechnung bis zum EBIT:
23’460 zu verkaufende Pizzen erzielen einen Planerlös von 234’600 EUR. Diese verursachen die proportionalen Herstellkosten von 23’460 mal 5,21 EUR, also total 122’227 EUR. Es verbleibt der jährliche Deckungsbeitrag I von 112’373. Mit diesem sind die fixen Leistungsbereitschaftskosten von 83’140 EUR und der Gewinn zu decken.
In der Tabelle sind rechts die Leistungsbereitschaftskosten der Pizzeria eines Jahres aufgeführt. Diese Posten fallen unabhängig von der Anzahl hergestellter und verkaufter Pizzen an, sind jedoch ebenfalls durch das Management zu planen und zu steuern:
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- Für die Verkäuferin rechnet er mit 24’000 EUR Personalkosten.
- Für seine Planungs-, Steuerungs- und sonstigen Managementarbeiten setzt der Pizzaiolo 506 von seinen geplanten 2’070 Arbeitsstunden zu 40 EUR ein. Das sind 20’240 EUR.
- Die Positionen 3-8 enthalten fixe Sachkosten, die für die Betriebsbereitschaft entstehen. Auch die Kosten für den Betrieb des Pizzaofens sind inbegriffen, weil der Ofen während der gesamten Öffnungszeiten heiss und damit betriebsbereit sein muss.
Nach Abzug der Fixkosten verbleibt der Gewinn vor Zinsen und Steuern, also der EBIT von 29’233 EUR.
Kostenschichtung
Nachstehende Grafik stellt die verschiedenen Kostengruppen in Abhängigkeit von den Herstellmengen geschichtet dar. Es ist zu erkennen, dass die Pizzeria ab ca. 15’000 jährlich verkauften Pizzen einen Gewinn vor Abzug von Zinsen und Steuern, also einen EBIT erzielen kann.
Sollten wegen grösserer Verkaufsmengen Investitionen erforderlich werden, steigen die Fixkosten in Sprüngen. Dadurch wird der EBIT schmelzen.
Die Spaltung der Kosten in ihren proportionalen, durch die Herstellmengen getriebenen und in ihren fixen, durch die Leistungsbereitschaft gegebenen Teil, ist offensichtlich eine zentrale Voraussetzung für die Unternehmenssteuerung. Das gilt sowohl für produzierende als auch für dienstleistende Unternehmen.
Das Pizzeria-Beispiel zeigt zudem, dass auch die beste Finanzbuchhaltung die steuerungsrelevanten Daten nicht liefern kann. Denn der Bezug zu den Leistungen lässt sich nur durch die Verbindung mit den im ERP-System hinterlegten Verbrauchsmengen und -zeiten schaffen. Deshalb sind im Management Accounting System, wie oben gezeigt, die leistungsabhängigen proportionalen von den zeitabhängigen fixen Kosten zu trennen. Die Auswertung wird vorzugsweise als stufenweise Deckungsbeitragsrechnung präsentiert.
Diese Erkenntnis gilt es vor allem bei der Softwarewahl zu berücksichtigen. Denn viele Anbieter preisen immer noch Kostenrechnungsapplikationen an, die ihre Daten ausnahmslos aus der Finanzbuchhaltung beziehen und keinen direkten Link zu den Mengen- und Leistungsdaten im ERP-System schaffen.
Herkunft der relevanten Plan- und Istdaten
Die Kunden entscheiden, ob sie einen Auftrag erteilen wollen. Aus ihrer Sicht sind Qualitäten, Mengen, Nettopreise, und Termine relevant. Die Daten zu Verkaufspreisen, Rabatten, Angeboten und Auftragseingängen werden üblicherweise im ERP erfasst. Daraus entsteht im Management Accounting die Netto-Erlösrechnung in Plan, Soll und Ist.
Die Führungskräfte des anbietenden Unternehmens planen und steuern Material- und Fremdleistungsverbräuche sowie Einsatzzeiten von Kostenstellen und Maschinen. Das erfordert Stücklisten mit Vorgabemengen und Arbeitspläne mit Vorgabezeiten aus dem ERP.
Zur Berechnung der Material- und Fremdleistungskosten greift das Management Accounting auf die die Stücklisten zurück.
Die Vorgabezeiten pro Bearbeitungsposition werden mit dem proportionalen Plankostensatz der jeweiligen Kostenstelle multipliziert. Das ergibt die leistungsabhängigen Fertigungskosten der hergestellten Produkte oder Dienstleistungen.
Die realen Verbräuche werden mit Bezugsbelegen oder mit Betriebsdatenerfassungsprogrammen festgestellt und ebenfalls im ERP-System gespeichert.
In den Kostenstellen verbleiben die fixen Leistungsbereitschaftskosten. Sie entstehen, damit die Kostenstelle überhaupt Leistungen erbringen kann und setzen sich aus Personal- und Sachkosten sowie aus kalkulatorischen Abschreibungen für die genutzten Anlagen zusammen. Diese Fixkosten können mangels direktem Verursachungszusammenhang nicht der einzelnen Produkt- oder Dienstleistungseinheit zugerechnet werden. Sie werden von der jeweiligen Führungskraft festgelegt und verantwortet.
Die rein wertbezogenen Daten zu Personal- und Sachkosten übernimmt das Management Accounting aus den Vorsystemen Lohn- und Gehaltsabrechnung, Kreditoren-, Lager- und Anlagenbuchhaltung.
Aus dem Führungskreislauf ergibt sich, dass das Management Accounting so zu gestalten ist, dass pro Verantwortungsbereich Plan-, Soll- und Istwerte gezeigt werden können.
Die Verantwortung ist jeweils dort zu tragen, wo die Erlöse und Kosten entstehen, nicht dort, wo sie hingerechnet werden. Insbesondere die Fixkosten und die Verbrauchsabweichungen sind in den Entstehungskostenstellen auszuweisen und zu steuern. Denn sie können nicht verursachungsgerecht an Folgestufen weiter verrechnet werden. Verantwortungsgerechtes Management funktioniert nur ohne Fixkostenumlagen.
Eine entscheidungsrelevante Management Accounting-Software muss folglich so programmiert sein, dass die Kostenspaltung in proportional und fix in den Plan- und Sollkostenrechnungen möglich ist.
Fazit:
Das Management Accounting folgt dem Primat der Entscheidungsunterstützung. Alle Führungspersonen einer Organisation sind bei der Planung und Steuerung ihrer Verantwortungsbereiche zu unterstützen. Die Führungskräfte haben den Auftrag, eine marktgerechte Verzinsung des in ihrem Unternehmen eingesetzten Vermögens zu erzielen. Dazu ist in der Planung die Spaltung der Kostenstellenkosten in ihren proportionalen und ihren fixen Teil Voraussetzung.
Aus dem Führungskreislauf ergibt sich zudem, dass Leistungen, Kosten und Nettoerlöse dort zu verantworten sind, wo sie entstehen, nicht dort, wo sie hingerechnet werden.
Die Fixkosten und die Verbrauchsabweichungen sind deshalb in den Entstehungskostenstellen auszuweisen, weil sie auch dort gesteuert werden. Sie können mangels direkter Ursache-/Wirkungsbeziehung anderen Kostenstellen oder Produkten nicht verantwortungsgerecht zugerechnet werden. Deshalb funktioniert verantwortungsgerechtes Management Accounting nur ohne Umlagen von Fixkosten und Verbrauchsabweichungen.
Auch die beste Finanzbuchhaltung kann die geschilderten Anforderungen nicht erfüllen, da sie nur Werte aber keine Leistungen abbilden kann. Das gilt auch dann, wenn lokales Steuerrecht, die Kalkulation von Verrechnungspreisen zwischen Gesellschaften oder internationale Rechnungslegungsstandards (IFRS, USGAAP) eine anteilige Zuordnung von Fixkosten zu Produkten oder Dienstleistungen verlangen. Denn zuerst muss das Ergebnis erzielt sein, bevor man es verteilen kann.
Buchungen für die externe Berichterstattung sollen nur in der Finanzbuchhaltung erfolgen. Denn externe Vorgaben, wie die Fixkosten auf die verkauften Dienstleistungen oder Produkte zu verrechnen sind, weichen oft von den realen betrieblichen Prozessen ab.