Activity Based Pricing

Prozesskostenschätzungen für die Preisbildung einsetzen?

Activity Based Pricing

Interessanter erscheint es aus unserer Sicht, die Activity Based-Idee für das Finden, Festlegen und Verhandeln von Verkaufspreisen einzusetzen, also für Activity Based Pricing zu nutzen.

Fünf von zehn bisher publizierten Fallstudien des Profitability Analytics Center of Excellence PACE (siehe  Praxisberichte zum Management Accounting) behandeln die Frage, wie die ungleiche, nur teilweise messbare Nutzung der Supportbereiche eines Unternehmens in der Verkaufspreisbildung für verschiedene Kunden berücksichtigt werden kann.

Insbesondere sollen folgende Kostenblöcke in die Verkaufspreisbildung für verschiedene Kunden-/ Produktkombinationen einbezogen werden:

    • Kosten der Beschaffungs- und Lagerlogistik, die für verschiedene Produktgruppen unterschiedlich hoch sind,
    • Verschrottungskosten für abgelaufene oder nicht mehr verkäufliche Produkte pro Produktgruppe,
    • Kosten der Distribution wie Transport, Einlagerung, Auffüllung der Regale, Belieferungstakt (täglich, wöchentlich, monatlich) pro Kunde,
    • Kundenbetreuung mit Kosten für Auftragsabwicklung, Retouren, Reklamationen sowie allgemeine Betreuung durch den Aussendienst.

Obwohl diese fixen Kostenblöcke nicht verursachungsgerecht einem einzelnen Produkt zugeordnet werden können, ist es möglich, Durchschnittswerte pro Aktivität zu berechnen und diese dann in der Preisfestlegung für unterschiedliche Kunden(-gruppen) zu berücksichtigen.

An der Kosten-/Leistungsrechnung und an der Deckungsbeitragsmethodik ändert sich dadurch nichts, ebenso wenig an der entscheidungsrelevanten internen Bestandsbewertung. Denn es werden fixe Kostenstellenkosten zu ausgeführten Prozessen in Beziehung gesetzt.

Activity Based Pricing soll das Marketing und die Verkaufenden darin unterstützen, die geschätzten Kosten der Fixkostenprozesse gegenüber den Kunden zu begründen. Dazu ist nicht die Kosten-/Leistungsrechnung anzupassen, diese dient der Planung und Steuerung, sondern es sollten Parallelrechnungen erstellt werden.

Anwendungsbeispiel Ringbuch AG

Für das Beispielunternehmen Ringbuch AG wurden in der nachstehenden Tabelle die Fixkosten des Jahres 2021 auf der untersten Produktebene ausgewiesen, welcher sie noch eindeutig, d.h. ohne Anwendung von Umlageschlüsseln, zuordenbar sind.

Activity Based Pricing
Activity Based Fixkostenzuordnung

Vom gesamten Kostenblock von rund 3.48 Mio. sind 1.44 Mio. den Sortimenten (Produktbereichen) zuordenbar, 2.04 Mio. fallen für die Gesamtheit des Angebots und damit der Umsätze an. Die Fixkosten von Einkauf und Lager wurden im Verhältnis der Einkaufswerte der Bereiche (Eigenprodukte, Handelsware, Investitionen und Projekte (allgemein)) geschlüsselt. Dies erfolgte unter der willkürlichen Annahme, dass die Kosten der Einkaufsabteilung durch das Einkaufsvolumen getrieben werden.

Mit dieser Gliederung ist im Beispielunternehmen die niedrigste Ebene der eindeutigen Zuordnung von Fixkostenblöcken erreicht. Denn:

    • Verkaufsförderung wird jeweils für alle Produkte eines Sortiments und für alle Kundengruppen gemeinsam betrieben.
    • In Verkauf und Marketing werden alle Produkte an alle Kunden verkauft und pro Auftrag können verschiedene Artikel enthalten sein.
    • In der Produktion werden sowohl Fertigungsaufträge für Halb- als auch für Fertigprodukte abgewickelt, weshalb ihre Fixkosten für alle selbst hergestellten Güter anfallen.
    • Verwaltung und Direktion arbeiten für alle Produkte.

Der nächste Tabellenteil (Zeilen 7 – 15) geht von den proportionalen Herstellkosten der verkauften Produkte der beiden Sortimente Eigenprodukte und Handelsware aus. Deren proportionale Herstellkosten können, da die Kalkulation auf Stücklisten und Arbeitsplänen der einzelnen Artikel basiert und die Einstandspreise für die einzelnen Handelsprodukte bekannt sind, verursachungsgerecht pro Sortiment berechnet werden. (Zeile 7). Daraus lassen sich in Zeilen 8 und 9 die Anteile der allgemeinen Fixkosten pro Sortiment berechnen (89.4% und 10.6%). In Zeile 10 werden die direkt zuordenbaren Fixkosten aus Zeile 6 übernommen. So ergeben sich rein rechnerisch die Vollkosten pro Sortiment in Zeile 11.

Durch Gegenüberstellung der Nettoerlöse in Zeile 12 zu den Vollkosten in Zeile 11 kann der EBIT pro Sortiment berechnet werden (Zeile 13).

Kalkulation Aktivitätskosten
Kalkulation Aktivitätskosten

Es zeigt sich, dass der grosse Anteil des EBIT aus den Eigenprodukten stammt. Das war schon aus der stufenweisen DB-Rechnung erkennbar.

Nimmt man die dargestellte aktivitätsbasierte Fixkostenzurechnung als Grundlage für die Preisbildung, müssten die Preise der Handelsware erhöht und diejenigen der Eigenprodukte gesenkt werden. So würde die Handelsware einen höheren kalkulierten EBIT erzielen und durch die günstigeren Preise der Eigenprodukte könnten dort die Absatzmengen erhöht werden. Das Sortiment Handelsware wird jedoch erst seit zwei Jahren verkauft, ist also noch im Aufbau. Die Verkaufspreise wurden durch Beobachtung der Konkurrenzpreise festgelegt, eine Preiserhöhung würde folglich zu Absatzeinbussen führen. Die Preise der Eigenprodukte zu senken macht deshalb keinen Sinn, weil mit den bestehenden Fertigungskapazitäten keine massgeblichen Produktionsmengensteigerungen möglich sind.

Zusammenfassend ergibt sich, dass zur Schätzung von Aktivitätskosten von den Fixkosten einer Kostenstelle auszugehen ist und dass diese den Prozessmengen gegenüberzustellen sind. Am Beispiel einer Einkaufsabteilung ist nachvollziehbar, dass ein erstmaliger Einkauf bei einem Lieferanten mehr Zeit in Anspruch nimmt als eine Wiederbestellung. Es sind folglich zwei Prozesse zu definieren. Die Personalkosten für die Getaltung eines Verkaufskatalogs sind gleich hoch, ob nachher 10’000 oder 100’000 Kataloge gedruckt und werden, jedoch nicht die Vollkosten eines Katalogs.

Umso verflochtener die innerbetrieblichen Leistungsbeziehungen bei der Herstellung und der Vermarktung von Produkten sind, desto weniger aussagekräftig wird eine kostenbasierte Verkaufspreiskalkulation.

Die anteilige Zurechnung von Fixkosten zu Kunden und Produkten kann eine Unterstützung zur Festlegung von Brutto- und Nettoverkaufspreisen sein. Activity Based Pricing bleibt jedoch eine Rechenübung auf Basis angenommener Kostenverteilschlüssel. Die Nettopreise der Konkurrenten sind für die Preisbildung wichtiger.

Activity Based Pricing soll in jedem Fall ausserhalb des Management Accountings erfolgen. Es dient der Preisfestlegung, ändert aber direkt nichts an den Kosten.

 

 

Activity Based Costing

Mit Activity Based Costing werden Fixkosten der Produktion, des Vertriebs und der Verwaltung einzelnen Produkten zugerechnet. Wie entscheidungsrelevant ist das?

Activity Based Costing (ABC)

ABC wurde erstmals 1971 von Prof. George Staubus unter dem Titel «Activity Costing and Input-Output Accounting» veröffentlicht. CIMA, das Chartered Institute of Management Accounting, bezeichnete 1988 ABC als eine Kostenrechnungsmethode, welche die Kosten des Ressourcenverbrauchs den finalen Produkten zuordnet. Diese Zuordnung soll mit Hilfe von Verbrauchsschätzungen und Kostentreibern erreicht werden:

Ressourcen –> Kostentreiber –> Kostenobjekte

Zweck dieser Zurechnungen ist die Schätzung oder Ermittlung der vollen Kosten von Produkten, Services und Arbeitsleistungen. Damit ist ABC ein weiterer Versuch, möglichst alle Kosten eines Unternehmens sachgerecht der einzelnen verkauften Einheit zuzuordnen. 1999 war ABC so aktuell, dass Horngren / Bhimani / Foster / Datar dem Thema in Ihrem Buch «Management and Cost Accounting» ein ganzes Kapitel widmeten (S. 344 – 370). Diese Entwicklung wurde auch im deutschen Sprachraum aufgenommen. Peter Horváth erweiterte ABC zur Prozesskostenrechnung (P. Horváth, Controlling, 7. Auflage, 1998, S. 532 ff.). «Die Prozesskostenrechnung ist als eine auf die Gemeinkostenbereiche konzentrierte, an den speziellen «Problemstellungen und Gegebenheiten des deutschen Rechnungswesens ansetzende, aktivitätsorientierte Rechnung zu verstehen (ebenda S. 533)».

In ABC und in der Prozesskostenrechnung werden auch fixe, also nur indirekt durch Herstellmengen verursachte Kosten als auch Fixkosten des Vertriebs und der Verwaltung an andere Kostenstellen und von dort an die Produkte weiterverrechnet (vgl. ebenda, S. 542). Die Absicht ist es, die Rentabilität eines Produkts oder einer Dienstleistung besser beurteilen zu können und eine «faktenbasierte Preisbildung» zu ermöglichen.

Nachstehend wird untersucht, inwiefern ABC und Prozesskostenrechnung zu entscheidungsrelevanteren Kosteninformationen führen können und welche innerbetrieblichen Ansätze zur Bestandsbewertung entscheidungsrelevant sind.

Kostenelemente  im Activity Based Costing

Im Buch «Management and Cost Accounting» werden (S. 345 ff.) drei Richtlinien zur Bestimmung der Aktivitätskosten definiert:

    1. Alle Kosten als Einzelkosten eines Produkts oder einer Kostenstelle kontieren. Ist die direkte Zuordenbarkeit zu einer Kostenstelle nicht gegeben, sind die Kostenbetreffnisse einer höher aggregierenden Kostenstelle zuzuordnen. Das sind im Kostenwürfel die Einzelkosten der jeweils betrachteten Kostenstelle.
    2. Die Kostenstellengliederung so weit verfeinern, dass jedes Kostenelement einer und nur einer Kostenstelle zugeordnet werden kann. Das führt zwar zu einer massiven Zunahme der zu planenden und zu verfolgenden  Kostenstellen, aber auch zu klaren Verantwortlichkeiten der Kostenstellenleiter.
    3. Einen Kostenschlüssel für jede Kostenstelle definieren, welcher eine direkte Ursache-Wirkungsbeziehung zwischen der Aktivität einer Kostenstelle und ihren Kosten darstellt. Diese Forderung führt zur Umlage fixer Kosten von einer Kostenstelle an eine andere und von dort auf die Produkte. Sie widerspricht somit den Anforderungen an die verursachungsgerechte Kostenspaltung zwischen proportional und fix.

Die Richtlinie 3 widerspricht den Regeln der Grenzplan- und der flexiblen Plankostenrechnung, führt sie doch dazu, dass auch fixe Kosten an hergestellte Artikel und Dienstleistungen verrechnet werden.

ABC ist folglich ebenfalls als Vollkostenrechnung zu verstehen. Pro Kostenstelle wird eine Aktivitätseinheit festgelegt, welche die Beanspruchung der Ressourcen misst. Alle Kosten einer Kostenstelle werden dann durch die Anzahl geleisteter Aktivitätseinheiten dividiert. Der entstehende Kostensatz besteht dadurch aus proportionalen und fixen Kostenanteilen. Das Beispiel für den Lebensmittelgrosshändler Netto AS, übersetzt aus dem Buch «Management and Cost Accounting, S. 350 – 352», belegt dies:

Activity Based Costing
Activity Based Costing bei Netto AS

Da es sich bei Netto AS um einen Handelsbetrieb handelt, welcher selbst an den eingekauften Produkten nichts ändert, ergibt die Differenz zwischen Nettoerlös und proportionalen Herstellkosten der verkauften Produkte den Deckungsbeitrag I.

Für die Zurechnung der Kostenstellenkosten zu den Produktbereichen der Netto AS wurde jedoch die herkömmliche Vollkostenmethode verwendet. Dazu wurden jeweils die gesamten Kosten einer Kostenstelle inklusive Umlagen von zuliefernden Kostenstellen (z.B. Energie, Personaladministration oder Unternehmensleitung) durch die vermeintlich charakteristische Leistungsmenge der Kostenstelle dividiert. Beispielsweise verzeichnete die Kostenstelle «Kundensupport» im Jahr 1999 Gesamtkosten von 10’240 und wickelte damit 51’200 Bestellpositionen ab. Daraus ergibt sich, wiederum unter Einrechnung aller Umlagen von anderen Kostenstellen, ein Fixkostensatz von 0.20 EUR pro Bestellposition. Dieser Satz wird mit den Bestellpositionen eines Produktbereichs multipliziert, was für die Frischprodukte den Betrag von 7’360 ergibt.

Nach Berücksichtigung all dieser Verrechnungen ergibt sich, dass die Frischprodukte «nur» 420 zum EBIT des Jahres 1999 beitrugen. Daraus könnte man schliessen, dass der Frischprodukteverkauf aufgegeben werden kann und die gewonnene Zeit für die besser rentierenden Produktbereiche eingesetzt werden oder das Personal in entsprechendem Ausmass abgebaut werden könnte.

Ein Blick auf die Zeile Deckungsbeiträge offenbart, dass dies wahrscheinlich zu kurz gedacht wäre. Denn die Frischprodukteverkäufe erbringen 20’020 Deckungsbeitrag I, also mehr als die Hälfte des gesamten DB I von 36’400. Die fehlenden 20’020 DB I müssten bei den Fixkosten eingespart werden, was in erster Linie Personalentlassungen bedeuten würde. Das Risiko ist gross, dass in diesem Fall auch qualifiziertes Personal für die Ausführung der Verkaufs- und Belieferungsaktivitäten für die anderen Produktbereiche fehlen würde. Dazu kommt, dass die Lagerflächen zu gross würden und die nicht mehr genutzten Installationen inklusive Computer und Software weiterhin abzuschreiben wären. Die Fixkosten der zentralen Funktionen der Netto AS, z.B. Management, IT oder Personaladministration sind im Zahlenbeispiel schon in die Verkaufsprozesse eingerechnet (Nummern 1-4). Diese würden durch die Aufgabe des Frischproduktesortiments nicht kleiner, da sie für die Leistungsbereitschaft der Netto AS erforderlich sind. Als Konsequenz müssten die anderen Produktbereiche höhere Umlagen tragen, was wiederum ihre Rentabilität schmälern würde.

Diese Überlegungen zeigen, dass mit Activity Based Costing  zwar geschätzte Vollkosten einer Aktivität berechnet werden können, dass diese aber nicht entscheidungsrelevant sein können, wenn mittels Schlüsselgrössen Fixkosten auf Produkt- oder Kundenguppen umgelegt werden. In der Flexiblen Plankostenrechnung werden den Produkteinheiten die proportionalen Kosten verursachungsgerecht zugerechnet. Die Kostenstellenfixkosten werden jedoch als Blöcke in die Deckungsbeitragsrechnung übernommen.

Es ergibt sich, dass die ABC-Idee insoweit zur Systematik der Grenzplankostenrechnung passt, als nur die proportionalen Kosten auf die Produkte verrechnet werden. Die Fixkosten werden jedoch nach wie vor mit nicht verursachungsgerechten Schlüsselgrössen umgelegt. Durch die Anwendung anderer Umlageschlüssel sinken jedoch die Fixkosten nicht.

 

Die Einstandspreisabweichung ist wieder aktuell!

Preisabweichungen sind in der Finanzbuchhaltung periodengerecht abzubilden. Im Management Accounting gelingt dies meistens nicht.

Die Einstandspreisabweichung ist wieder aktuell!

Weltweit zunehmende Inflationsraten sind eine Folge der Corona-Pandemie. Dadurch rücken die Fragen, wie schnell und umfassend die steigenden Kosten an die Kunden weiterverrechnet werden können und welche Konsequenzen für das eigene Ergebnis zu erwarten sind, in den Vordergrund.

Um feststellen zu können, inwieweit die Preisabweichungen im Einkauf an die Kunden weiterverrechnet werden konnten und ob durch Preissteigerungen vermehrt Verbrauchsabweichungen in den Kostenstellen entstehen, gilt es im Management Accounting die Preisabweichungen für die kurzfristige Planung und Steuerung festzuhalten.

Im Beispiel  ist die reale Preisentwicklung für den Einkauf und Verbrauch von Profilstahl der Ausgangspunkt für die Ermittlung der eigenen Materialeinstandskosten (Angaben von Klöckner & Co. für 2021):

Einstandspreisabweichung
Einstandspreisabweichung ermitteln

In Zeile 7 der Tabelle sind die monatlich entstandenen Einkaufspreisabweichungen ausgehend vom Standardpreis von 120.— pro beschaffte Tonne aufgeführt. Diese Abweichungen sind als Teil des monatlichen Materialaufwands in der Finanzbuchhaltung zu verbuchen, da die Einkaufspreisabweichung in dieser Periode entstanden ist.

Preisabweichungen den Aufträgen zuordnen

Im Management Accounting sollte während des ganzen Jahres mit dem geplanten Standard-Einstandspreis gerechnet werden, da sonst die Produktion jeden Monat eine neue Plankalkulation erstellen müsste, welche für den Verkauf zu spät käme, weil zwischenzeitig schon wieder neue Preissteigerungen angefallen sind.

    •  Bei der Festlegung des Standardeinstandspreises für das Planjahr sollte der Einkaufsleiter die erwartete durchschnittliche Inflation einrechnen. Da er kein Prophet ist, kann er den Wertansatz nur schätzen. Diese Schätzung geht in die Plan-Produktkalkulationen ein und wird folglich auch in der Plan-Deckungsbeitragsrechnung angewendet. Das hat den Vorteil, dass die Plankalkulation als Massstab bestehen bleibt und die monatlichen Abweichungen automatisch berechnet werden können.
    • Die Lagerzugänge von Halb- und Fertigfabrikaten werden im Management Accounting ebenfalls durchgängig zu proportionalen Standard-Herstellkosten bewertet, was wiederum die Erstellung der Deckungsbeitragsrechnung erleichtert.

Diese Vorgehensweise insbesondere deshalb sinnvoll, weil im gleichen Fertigungsauftrag Rohmaterial aus Lieferungen mit unterschiedlichen realen Einstandspreisen verbraucht werden kann. Das nachstehende Beispiel beleuchtet Verbräuche und Kosten:

Einzelmaterialkosten

    • Auftrag 1 (Zeile 8) verbraucht im Januar die 100 Tonnen Bestand an Profilstahl, welche im Dezember des Vorjahres zum Preis von 100.00 / to eingekauft wurden, sowie 20 Tonnen von der Januarlieferung zum Preis von 117.30 (Zeile 3 in der Tabelle Preisentwicklung).
    • Die Produktion von Auftrag 4 (Zeile 11) muss wegen seines Umfangs von 320 Tonnen auf die Monate März bis Mai verteilt werden. Weil jeden Monat 100 to eingekauft und vom Lieferanten zum jeweils geltenden Preis belastet werden, müssten auch 3 verschiedene Einstandspreise für die Kalkulation verwendet werden.
    • Würde der kleinere Auftrag 5 (Zeile 12) vor Auftrag 4 Anfang März abgewickelt, könnte er zu Lasten von Auftrag 4 noch vom günstigeren Einstandspreis im Februar von 134.20 pro Tonne profitieren, was aber die Kosten des Auftrags 4 erhöhen würde.

Diese Komplexität der Bewertung der auftragsspezifischen Verbräuche kann weder den Produktionsverantwortlichen noch den Verkäufern zugemutet werden. Zudem, das ist aus den Zeilen 16 – 18 ersichtlich, müsste noch die anzuwendende Bewertungsregel festgelegt werden:

    1. Alle Bezüge werden das ganze Jahr zum Standard-Einstandspreis bewertet (Zeile 16)
    2. Die realen Bezüge vom Lager werden zum aktuellen Einstandspreis des Bezugsmonats bewertet (Last-In-First-Out, Zeile 17)
    3. Die realen Bezüge werden zum gewichteten durchschnittlichen Einstandspreis des aktuellen Lagerbestands (gewichteter durchschnittlicher Einstandspreis, Zeile 18) bewertet.

Es zeigt sich, dass Preisabweichungen beim Einkauf Periodenkosten sind. Sie können nur dann eindeutig einem Produkt zugerechnet werden, wenn eine Materialposition direkt für einen Fertigungsauftrag eingekauft wurde.

Deshalb ist die Auftrags- und Produktkalkulation gerade in inflationären Zeiten mit Standard-Einstandspreisen  durchzuführen. Mit der Verwendung sich schnell ändernder Einstandspreise verlieren sonst die Produktionsverantwortlichen die Orientierung. Zudem werden sie für Abweichungen verantwortlich gemacht, für welche sie nicht zuständig sind.

Einstandspreisabweichungen sind wie erwähnt Periodenkosten. In der stufenweisen Deckungsbeitragsrechnung können sie meistens nicht eindeutig und damit verantwortungsgerecht einem spezifischen Verkauf zugeordnet werden. Folglich sind sie dort auszuweisen, wo die Eindeutigkeit gegeben ist, also z.B. pro Produkt- oder Kundengruppe oder im Beispiel den Sortimenten (vgl. Buch Management-Control-System, S. 231) und den Beitrag „Komplette Abweichungsanalyse“.

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Mostlé SA

Da Mengen, Leistungen und Prozesse die Kostenursachen sind, definieren sie die Anforderungen an das Management Accounting, nicht die Buchhaltung.

Mostlé SA, Ausgangslage

Mostlé SA ist ein internationales Lebensmittel- und Getränkeunternehmen. Es stellt eine breite Palette von Lebensmitteln und Snacks in verschiedenen Werken und Ländern her. Die Produktrentabilität ist eine wichtige Entscheidungsgrundlage für das Produktportfolio. Das Unternehmen verfügte über ein neues, ausgeklügeltes ERP-System, aber die Geschäftsleitung war sich nicht sicher, wie sie es für eine bessere Rentabilitätsanalyse einsetzen sollte.

Folgen falscher Systemgestaltung

Nach der Einführung einer detaillierteren Vollkostenrechnung machte die Geschäftsführerin des Lebensmittelherstellers, Ada Schmidt, eine unerwartete und alarmierende Entdeckung: Ihr Unternehmen produzierte 130.000 Varianten seiner verschiedenen Marken, von denen 30 % keinen Gewinn abwarfen. Der übermässige Fokus auf direkte Materialkosten und Kapazitätsreserven führte zur Schlussfolgerung, dass viele neue Produkte „profitabel“ und langfristige Gewinner waren. Die Gewinnspannen von Mostlé waren jedoch niedriger als die der Konkurrenten, was stark darauf hindeutete, dass diese scheinbar „profitablen“ Produkte in Wirklichkeit den Unternehmensgewinn schmälerten.

Wie viele andere Unternehmen hatte auch Mostlé SA nicht in das richtige Produktkalkulationssystem investiert. Die Unternehmensleitung erkannte, dass eine strategische Investition in ein entscheidungsrelevantes Kostenrechnungssystem notwendig war, um die Produktkalkulation zu verbessern. Obwohl die Manager wussten, dass sie sich auf fehlerhafte Kosteninformationen verliessen, war es eine Herausforderung, das geeignete System zu ermitteln. Es schien, dass unterschiedliche strategische Entscheidungen unterschiedliche Produktkosten erforderten.  Darüber hinaus erfordern unterschiedliche betriebliche Rahmenbedingungen auch unterschiedliche Kalkulationsansätze. Ein System, das für eine Tiernahrungsfabrik geeignet ist, die ein paar Sorten Hundefutter herstellt, wäre für eine Süsswarenfabrik, die Dutzende verschiedener Bonbons herstellt, nicht geeignet.

Mostlé beschloss, das installierte und die potenziellen Kostenrechnungssysteme anhand von drei Kriterien zu bewerten:

    • Bequemlichkeit: Bequemlichkeit bei der Beschaffung der benötigten Kosteninformationen
    • Korrektheit: Die Produktkosten sind hinreichend genau
    • Implementierungskosten: Die Kosten für die Implementierung und Wartung des Systems sind angemessen.

Dazu musste Mostlé SA für zuerst vier wichtige Fragen beantworten:

    1. Welche Kostenelemente sollen in die Produktkosten einbezogen werden?
    2. Auf welcher Detailebene sollen die direkten Produktkosten erfasst werden?
    3. Wie sind die indirekten Produktkosten zu organisieren?
    4. Wie sind die indirekten Kosten den Produkten zuzuordnen?

Erläuterungen zu den vier Fragen:

    1. Welche Kosten gehören zu den Produktkosten? Die Vollkostenrechnung ist für die externe Finanzberichterstattung geeignet, aber sie umfasst nur die vollen Herstellkosten, also Materialeinzelkosten, Lohneinzelkosten und anteilige Fixkosten der Herstellung. Direkt kundenbezogene Vertriebskosten werden nicht berücksichtigt. Beispielsweise gehören 2 % Zoll für jeden verkauften Schokoriegel ebenso zu den Kosten für den Verkauf eines Produkts wie seine Herstellkosten. Mostlé beschloss, auch nicht mit der Herstellung zusammenhängende Kosten – wie F&E, Verkauf, Support und Vertrieb – in die Produktkosten einzubeziehen.
    2. Welcher Detaillierungsgrad ist für die Produktkostenkalkulation erforderlich?  Mostlé entschied sich für eine Mischform aus Ressourcenverbrauchsrechnung (Resource Consumption Accounting RCA) und Chargenkalkulation. RCA soll die verbrauchsabhängigen Kosten der Kostenstellen und Arbeitsbereiche verursachungsgerecht den Produkten zuordnen. Die Chargenkalkulation wurde zur Zuordnung von Kosten für spezifische Zutaten und Verarbeitungskosten verwendet, welche sich je nach Charge unterschieden.
    3. Wie sind die indirekten Produktkosten zu organisieren?  Die Frage, wie indirekte Kosten zu behandeln sind, ist eine zentrale Herausforderung für die Produktkalkulation, da die fixen Kosten nicht verursachungsgerecht den produzierten Einheiten zugeordnet werden können. Im bestehenden System wurden in grossem Umfang werksweite oder abteilungsbezogene Kostenpools verwendet. Die Analyse zeigte, dass diese Ansätze die Produktkosten verzerrten, da sie nur einen Kostentreiber verwendeten und sowohl proportionale als auch fixe Kosten in die Kostensätze einschlossen. Zur Verbesserung beschloss Mostlé, die Prozesskostenrechnung (Activity Based Costing ABC) einzusetzen. Das erforderte es, für jede Kostenstelle eine Bezugsgrösseneinheit zu finden, mittels welcher die erbrachte Leistung gemessen und bewertet werden kann. Für die sachgerechte Entscheidungsfindung sollten sowohl in den Kostenstellen als auch in der Produktkalkulation nur die proportionalen Kosten nach Bezugsgrösseneinheiten verrechnet werden, da bei den fixen Kosten kein direkter Verursachungszusammenhang festzustellen ist.
    4. Wie werden die proportionalen Kostenstellenkosten den Produkten belastet? Je nach Kostenauslöser verwendet Mostlé sowohl transaktionsbasierte als auch dauerbasierte Kostentreiber. Wenn zum Beispiel das Einrichten von Schmelztiegeln für verschiedene Produkte etwa gleich viel Zeit in Anspruch nimmt, sind einfache transaktionsbasierte Kostenfaktoren wie die Anzahl der Einrichtungsvorgänge sinnvoll. Andererseits dauert das Rüsten für eine Charge Bio-Schokoladentafeln aufgrund der strengen Reinigungsanforderungen länger als für nicht-biologische Schokolade. In diesem Fall war die Rüstzeit angemessener als die Anzahl der Rüstvorgänge. Die sorgfältige Beantwortung dieser Fragen führte zu einer umfassenden Überarbeitung des Kostenrechnungssystems.

Sortiments- und Prozessverbesserungen als Folge

Die sorgfältige Beantwortung dieser Fragen führte zu einer umfassenden Überarbeitung des Kostenrechnungssystems. Die neu gewonnenen Informationen hatten wichtige Änderungen in der strategischen Ausrichtung zur Folge. So stellte CEO Ada Schmidt überrascht fest, dass die Herstellung von aromatisierten Tiefkühlkostprodukten in den USA teurer war als in Europa. Daraufhin schulte Mostlé die US-Fabrikarbeiter um, damit sie die Maschinen schneller füttern konnten, was im folgenden Jahr zu einer Senkung der Kosten für Eiskrem um 33 % führte. Ausserdem trennte sich das Unternehmen von schwächeren Marken, konsolidierte das Produktangebot und nahm weitere wichtige Anpassungen der strategischen Ausrichtung vor. 

Mostlé entdeckte, dass ein gutes Produktmanagement, unterstützt durch ein entscheidungsrelevante Kostenrechnungssystem, einen grossen Gewinn abwerfen kann.

Weitere Informationen zu diesem Fall finden sich unter „Product Costing Systems: Finding the Right Approach“, The Journal of Corporate Accounting & Finance,“ May/June 2015.

Diese Fallstudie wurde vom Profitability Analytics Center of Excellence PACE veröffentlicht. Den englischen Originaltext finden Sie hier: Case Studies | Profitability Analytics Center of Excellence (profitability-analytics.org)

Plankalkulation

In die Kalkulation gehören nur die direkt durch das Produkt verursachten Kosten. Alle anderen Kosten sind die Folge organisatorischer Entscheidungen.

Plankalkulation eines Halbfabrikats

Zur Erstellung der Plankalkulation eines Artikels sind folgende Datengrundlagen erforderlich: Stückliste und Arbeitsplan, Losgrösse, Plan-Einstandspreis für Rohmaterial, Plankostensätze der Kostenstellen.

Das Bodenblech für die Schliessmechanik eines 4-Ringbuches wird wie folgt kalkuliert:

Plankalkulation eines Ringbuch-Bodenblechs
Plankalkulation eines Ringbuch-Bodenblechs
    • Aus der Produktionsplanung ist bekannt, dass die Jahresproduktion des Artikels 11 816’200 Stück sein soll. Es sollen 11 gleich grosse Lose zu je 74’200 Stück aufgelegt werden.
    • Aus der Stückliste ist zu entnehmen, dass Material für 50 Bodenbleche fürs Rüsten verbraucht werden wird und dass 200 Stück der gefertigten Menge als Ausschuss zu entsorgen sein werden. Um ein Bodenblech herstellen zu können, werden 0.024 m2 benötigt.
    • Zusammen mit dem Bedarf für Rüsten und Ausschuss beläuft sich der Bedarf für Stahlblech auf (74’200 + 50+ 200) x 0.024 m2 = 1’786.8 m2.
    • Der geplante Einstandspreis pro m2 beträgt 2.00 EUR. Das ergibt Einzelmaterialkosten des Loses von 3’573.60 EUR.
    • Der Arbeitsplan besagt, dass zur Herstellung eines guten Stücks (lagerzugangsfähig) 0.25 Bearbeitungsminuten erforderlich sind. Dazu kommen noch 120 Minuten für das Rüsten pro Auftrag. Der Leistungsbedarf pro Los ist somit (74’200 Stück zu 0.25 Min + 120 Min Rüsten = 18’670 Min.
    • Dieser Leistungsbedarf wird mit dem proportionalen Plankostensatz der Stanzerei von 0.8938 multipliziert, was die proportionalen Plan-Fertigungskosten von 16’686.37 ergibt.
    • Insgesamt sind die proportionalen Plankosten dieses Loses EUR 20’259.97 oder bei 74’200 guten Stück EUR 0.2730 pro Einheit Lagerzugang.

Zu diesem Wertansatz von EUR 0.2730 pro Stück wird das Halbfabrikat Bodenblech 4-Ring (Artnr. 11) als Lagerzugang gebucht. Dieser Wertansatz für die Lagerbewegungen gilt im managementorientierten System sowohl für die Planung als auch für die effektiven Lagerbewegungen. Der Grund, die plankalkulierten Ansätze auch zur Bewertung der realen Lagerbewegungen anzuwenden, liegt darin, dass Kostenabweichungen im Moment der Herstellung entstehen und dass dafür die Auftragsverantwortlichen zuständig sind. Der Bezüger der Halbfabrikate, also die nächste Fertigungsstufe, ist für die vorher entstandenen Abweichungen nicht zuständig und muss folglich seine Bezüge zu plankalkulierten Ansätzen erhalten.

Wo entsteht die Einkaufspreisabweichung?

Mit der gleichen Begründung werden auch die realen Rohmaterialbezüge aus dem Lager für die Fertigungsaufträge immer zu Plan-Einstandspreisen bewertet. Denn wenn teurer oder günstiger eingekauft wird als geplant, entsteht die Einstandspreisabweichung im Einkauf. Diese ist vom Einkaufschef zu beobachten und wird im Gesamtergebnis einer Periode ausgewiesen. Oft ist es gar nicht möglich, Einstandspreisabweichungen verursachungsgerecht an die materialbeziehenden Aufträge weiterzugeben, weil dann zu entscheiden wäre, welche Aufträge noch das günstigere Material erhalten und welche das teurer eingekaufte.

Plankalkulation eines Fertigprodukts

Im Beitrag Produktions- und Einkaufsplanung wurde die Strukturstückliste von Artikel 101060 dargestellt. Diese Zusammenhänge von den Rohstoffen über die verschiedenen Halbfabrikate bis zum Endprodukt werden in untenstehender Plankalkulation für das Fertigprodukt 101060 wertmässig dargestellt.

Plankalkulation
Plankalkulation über mehrere Fertigungsstufen

Es ist zu erkennen, dass die proportionalen Plankosten pro Gutstück immer als Standardwerte in die nächste Stufe übernommen werden. Dabei sind die Rüst- und Ausschusskosten jeweils in die proportionalen Plankosten eingerechnet. Die Lagerzu- und -abgänge sind zwar nicht abgebildet, sie werden aber ebenfalls immer zu diesen proportionalen Standardkostensätzen bewertet.

Management Accounting und Pizzateig

Zur Kalkulation der Produktkosten sind Stücklisten und Arbeitspläne erforderlich. Sie kommen vor allem in Produktionsbetrieben vor, zunehmend aber auch in Dienstleistungs- und Handelsunternehmen.

Management Accounting und Pizzateig

Eine zentrale Aufgabe jedes Management Accounting Systems ist es, die Kosten eines Produkts oder einer Dienstleistung (Service) zu kalkulieren. Produktkalkulation ist für die Planung, für die Erfassung der effektiv entstandenen Kosten, für die Analyse entstandener Abweichungen  sowie für die Bilanzierung erforderlich.

Ein Produkt kalkulieren zu können setzt voraus, dass das Produkt eindeutig definiert ist. Dazu gehören die einzusetzenden Rohstoffe, Halbfabrikate und Fremdleistungen sowie die eigenen Arbeitsleistungen und die einzuhaltenden Qualitätsvorgaben.

Wie überlegt der gewiefte selbständige Pizzaiolo?

Management Accounting und Pizzateig
Management Accounting und Pizzateig
Stückliste

Diese Tabelle enthält die laut Rezept notwendigen Materialverbräuche. Inbegriffen ist auch das Mehl, das zum Kneten des Teigs gestreut werden muss.

Stückliste für Pizzateig
Stückliste für Pizzateig
Arbeitsplan

Das sind die einzuplanenden Arbeitszeitverbräuche für die Teigherstellung. Weil verschiedene Arbeitsgänge nur einmal und damit unabhängig von der hergestellten Menge notwendig sind, sind deren Zeitverbräuche in der Spalte «Rüsten» aufgeführt.

Arbeitsplan für Pizzateig
Arbeitsplan für Pizzateig

Werden pro Arbeitsstunde für die Teigbearbeitung EUR 20.— angesetzt, ergeben sich leistungsabhängige Plan-Arbeitskosten von EUR 10.33 (31 Min./60 Min. x EUR 20.00) plus die Materialkosten von EUR 1.84, total also EUR 12.17 für 4 Teige (Los) oder EUR 3.04 pro Stück.

Sind Stückliste und Arbeitsplan für den Teig fertig, kann der Pizzaiolo überlegen, welche Zutaten für die Dekoration der Pizza (und damit der Erstellung des verkauften Produkts) notwendig sein werden. Dazu muss er wissen, welchen Pizzatyp der Kunde will. Will er eine „Quattro Stagioni“ braucht es:

    • Carciofi (Artischockenherzen), 3 Stück
    • Pilze (Büchsen-Champignons), 20 Scheibchen
    • gekochten Schinken), 2 Scheiben
    • schwarze Oliven, 15
    • Gewürze, 10g

Der Pizzaiolo rechnet aus, dass die Dekoration einer Quattro Stagioni“ 0.56 EUR pro Stück kosten sollte (Materialkosten).

Den Zeitbedarf für das Dekorieren der Pizza veranschlagt er mit 2 Minuten, was bei EUR 20.— pro Mitarbeiterstunde pro Pizza 0.67 EUR proportionale Fertigungskosten verursacht.

Die proportionalen Kosten der Herstellung einer „Quattro Stagioni“ belaufen sich folglich auf EUR 3.04 + 0.56 + 0.67 = 4.27 EUR.

Dieses einfache, aber trotzdem zweistufige Beispiel zeigt, dass als Voraussetzung zur Kalkulation das Mengen- und das Leistungsgerüst eines Produkts bekannt sein müssen. Die Einstandspreise und der Kostensatz für die Arbeitszeit können sich ändern, die Mengen und Zeiten sind durch den aktuell geltenden Herstellungsprozess gegeben. Das Verbrauchsmaterial wird vom Lager (Keller, Kühlschrank) bezogen, die Leistungen werden in der Kostenstelle «Pizzaofen» erbracht. Die im Mengen- und Leistungsgerüst festgehaltenen Verbräuche sind Ziele, die es zu erreichen gilt, wenn man den Prozess beherrscht. In der Fachsprache werden sie auch «Standards» genannt.

Bitte beachten: Die Nutzung der kompletten Kücheneinrichtung wurde nicht in die Kalkulation des Pizzateigs eingerechnet. Die Einrichtung muss betriebs- und leistungsbereit vorhanden sein, damit überhaupt irgendwelche Produkte hergestellt werden können. Wird die Küche nicht genutzt, fallen trotzdem Stromkosten für den Betrieb des Kühlschranks / Tiefkühlers an. Die Küche muss periodisch gereinigt werden, damit sie betriebsbereit bleibt. Dazu ist es auch notwendig, dass Gerätschaften wie Besteck, Schüsseln, Teller, Kuchenbleche etc. bereitstehen. Betriebswirtschaftlich betrachtet verliert die Küche, ob genutzt oder nicht, täglich an Wert, weil sie veraltet. Diesem Umstand wird durch die Abschreibung Rechnung getragen. Alle diese Kostenelemente werden nicht durch die hergestellten Pizzen verursacht, sondern durch die Entscheidung, wie die Küche ausgestattet und gepflegt sein soll. Dem hergestellten Produkt, also der Pizza können sie deshalb nicht verursachungsgerecht zugerechnet werden und erscheinen folglich auch nicht in der Kalkulation.

Im entscheidungsrelevanten Management Accounting werden einem Produkt oder einer Dienstleistung nur diejenigen Kosten zugerechnet, welche direkt durch seine Entstehung verursacht werden. Die entsprechenden proportionalen Plankosten werden auch zur Bewertung der Lagerzu- und -abgänge verwendet, weil so die Lagerbestände immer zu Standard bewertet werden und die Abweichungen der Berichtsperiode belastet werden. Das Management Accounting dient der internen Planung und Steuerung. Für die Berechnung des Verkaufspreises kann es nur Orientierungsdaten liefern.

Pricing is not costing

Der gewiefte Pizzaiolo analysiert zuerst die Angebote und Preise seiner Konkurrenten und vergleicht sie mit seinem Angebot. So legt er den Verkaufspreis fest. Erst jetzt macht es Sinn, die eigenen Kosten mit dem erzielbaren Umsatz zu vergleichen.

Der Markt macht den Preis, nicht die eigenen Kosten.

Arbeitspläne und Stücklisten auch in Dienstleistung und Handel

Stücklisten kommen auch in Handelsunternehmen vor, wenn z.B. mehrere Produkte als Set zusammengepackt und als eine Einheit verkauft werden.

Auch in Dienstleistungsunternehmen bilden Stücklisten und Arbeitspläne die Kalkulationsgrundlage. Der Unterschied zum Produktionsunternehmen besteht hauptsächlich darin, dass das Mengen-/Leistungsgerüst erst festgelegt werden kann, wenn die genaue Kundenanforderung bekannt ist, respektive das zu liefernde Produkt eindeutig definiert ist. Beispiele dazu:

    • Änderungsschneiderei: Erst wenn bekannt ist, welche Materialien in welchen Mengen und welche Arbeitsgänge mit welchen Zeitbedarfen zur Erfüllung des Kundenwunsches erforderlich sind, können die Plankosten eines Auftrags kalkuliert werden.
    • Krankenhaus: Der «Fall» ist abwicklungstechnisch betrachtet der Container für die Zusammenführung aller zur Anamnese, Diagnose und zur Therapie erbrachten Leistungen (Gespräche, Operationen, Therapien, Pflege) und der dadurch verursachten Verbräuche (Medikamente, Implantate, medizinisches Verbrauchsmaterial, Beherbergung, Verpflegung). Der Behandlungspfad beschreibt im Einzelnen die zu erbringenden Leistungen und Verbräuche. Er entspricht damit dem Arbeitsplan und der Stückliste in der Industrie.
    • Öffentliche Verwaltung: «Ein Produkt entsteht in der öffentlichen Verwaltung dann, wenn eine Leistung für einen externen Kunden erbracht wird (z.B. Ausstellung eines Reisepasses, Erteilung einer Bewilligung) oder wenn durch die Leistung neues Verwaltungsvermögen (z.B. Bau einer Quartierstrasse) begründet wird (Rieder, L. Kosten-/Leistungsrechnung in der Verwaltung, S. 66).» Erst wenn das Produkt mit seinem Inhalt und seinem Leistungsumfang definiert ist, kann festgelegt werden, welche verwaltungsinternen Leistungen ursächlich für die Erstellung notwendig sind und welche Bezüge von Material und Fremdleistungen vorzusehen sind. Das Mengen-Leistungsgerüst wird wiederum in produktspezifischen Stücklisten und Arbeitsplänen dokumentiert.

Stücklisten und Arbeitspläne sind allgegenwärtig. Das Management Accounting übernimmt die Daten für die Kalkulation aus dem Produktionsplanungs- und Steuerungssystem (PPSS). Dort werden auch die Stammdaten bezüglich Einsatzmaterial, Fremdleistungen, Prozessabläufen, Maschinen, Kostenstellen, Vorgabezeiten und Plan-Einstandspreisen gepflegt und die Aufträge datenmässig geplant und abgewickelt.

Die Vollkosten eines Produkts sind immer falsch!

Die vollen Kosten eines Produkts und sein Stückgewinn lassen sich nicht richtig berechnen.

Die Vollkosten eines Produkts sind immer falsch!

Ein Ingenieur und Vorstand wollte uns beauftragen, eine Kostenrechnung zu entwickeln, welche pro Produkt (Artikelnummer) die Vollkosten und den Gewinn vor Abzug von Zinsen und Steuern ausweist (EBIT). Dazu ist die artikelweise Berechnung der vollen Herstellkosten und der Selbstkosten erforderlich (Nettoerlös – Selbstkosten = EBIT).

Wir haben diesen Auftrag nicht angenommen!

Obwohl es längst wissenschaftlich bewiesen und empirisch belegt ist, dass Vollkosten (volle Herstellkosten oder Selbstkosten) nicht zu entscheidungsrelevanten Erkenntnissen führen können, wird immer wieder versucht, die Vollkosten pro Produkteinheit zu berechnen. Die Methodik des „Betriebsabrechnungsbogens“ wird noch an sehr vielen Schulen gelehrt und leider auch in der Praxis noch zu oft angewendet.

Beispiel Handelsbetrieb

Schon in einem einfachen Handelsunternehmen welches nur ein einziges Produkt verkauft, ist nachvollziehbar, dass Vollkosten nicht belastbare Werte sind:

    • Der Einstandspreis pro Stück wird mit dem Lieferanten vereinbart. Er kann eindeutig der verkauften Einheit zugeordnet werden.
    • Die Beschaffungskosten (Verpackung, Fracht, Versicherung) sind von der Bestellmenge abhängig. Sie werden durch die Bestellung (Entscheidung) verursacht, nicht durch das einzelne Stück.
    • Die Kosten der Einkaufsabteilung (Personal- und Sachkosten) werden durch die Grösse der Abteilung bestimmt (Entscheidung) und nur indirekt durch die eingekaufte Menge.
    • Werbe- und Verkaufsförderungskosten sind die Folge von Entscheidungen über Verkaufsmassnahmen. Diese Kosten werden zudem entschieden, bevor verkauft wird. Sind sie nun zur geplanten oder zur wirklich verkauften Menge in Beziehung zu setzen?
    • Sinngemäss gilt dies auch für die Kosten der Infrastruktur und der Unternehmensleitung.

Die Vollkosten eines Produkts sind immer falsch
Die Vollkosten eines Produkts sind immer falsch

Das Zahlenbeispiel zeigt, wie sich die Stück-Vollkosten verändern, wenn in Plan und Ist unterschiedliche Mengen oder andere Strukturkosten vorkommen.

Obwohl die direkt durch das verkaufte Produkt verursachten Kosten pro Stück  immer gleich sind (proportionale Kosten), ergeben sich in jeder dargestellten Situation andere Vollkosten (volle Herstellkosten oder Selbstkosten) pro Stück. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die durch Managemententscheid festgelegten Strukturkosten (Fixkosten) mit der Schlüsselgrösse «Absatzmenge» auf die Produkteinheit umgelegt wurden.

Erweiterung für den Produktionsbetrieb

Wird das Beispiel für ein Unternehmen mit mehreren Produkten und evtl. auch Halbfabrikaten erweitert, sind zusätzliche Schlüsselgrössen einzusetzen. Denn die ans Lager gelieferten Teile müssen anteilig die Fixkosten der Beschaffung und der Leistungsbereitschaft der Produktion tragen (volle Herstellkosten). Auf die verkauften Einheiten müssen die Fixkosten von Verkauf und Marketing, sowie von den verbleibenden internen Funktionen und der Gesamtleitung umgelegt werden, um die Selbstkosten pro Einheit zu berechnen. Mit welchen Schlüsselgrössen diese Umlagen auch immer bewerkstelligt werden, ist folglich immer falsch. Denn alle Fixkosten werden durch Managemententscheidungen freigegeben (Budget) und sind auch im Ist nur indirekt von den hergestellten oder verkauften Einheiten abhängig.

Nur die durch die eigentliche Herstellung einer Produkteinheit verursachten Kosten können eindeutig einer Produkteinheit zugeordnet werden. Dahinter stehen Verbräuche von Rohmaterial, Fremdleistungen, Halbfabrikaten und eigenen Fertigungsleistungen. Diese werden durch Stücklisten, Arbeitspläne und Rezepte, also technische Ursache-Wirkungsketten bestimmt.  Das sind die proportionalen (Plan-)Herstellkosten. Zwischen den erwähnten Fixkosten der Supportfunktionen und den hergestellten oder abgesetzten Einheiten besteht nie ein direkter Verursachungszusammenhang.

Auf den Punkt gebracht:

Einen zweifelsfreien Gewinn pro Stück vor Abzug von Steuern und Zinsen (EBIT) gibt es nicht, weil zu seiner Berechnung zur nicht verursachungsgerechten Umlage von Fixkosten gegriffen werden muss.

«Möglichst verursachungsgerecht» gibt es ebenso wenig, weil mangels direkter Ursache-Wirkungskette trotzdem zu einem Umlageschlüssel gegriffen werden muss.

Diese Erkenntnis gilt es bei der Gestaltung des entscheidungsrelevanten Management Accountings zu beachten. Denn Führungskräfte  argumentieren richtigerweise, dass sie nur für Kostenelemente verantwortlich sein können, deren Höhe sie direkt selbst beeinflussen können.

Zum Download des Artikels: „Umlagen: eine oder keine?“