Aktualisiert am 13-03-24 durch Lukas Rieder Dr. oec.
American Fittings‘ Kosten-/Leistungsrechnung
American Fittings war ein 20 Millionen Dollar schweres Produktionsunternehmen in Familienbesitz. Es stellte Produkte für die Energiewirtschaft her. Viele Jahre war die Mehrzahl der Produkte patentrechtlich geschützt, was es dem Unternehmen ermöglichte, Preise festzulegen, die ein Gewinnniveau garantierten, das weit über dem ähnlicher Unternehmen in der Branche lag. Mit dem Auslaufen dieser Patente begannen die Gewinne jedoch auf ein Niveau zu sinken, welches die Geschäftsleitung als inakzeptabel ansah.
Das Management des Unternehmens unternahm zwei Schritte, um den Abwärtstrend umzukehren:
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- Einführung von Lean-Prinzipien in der Fertigung
- Entwicklung und Einführung einer verursachungsgerechten Kosten-/Leistungsrechnung für Plan- und Istbetrachtung.
Die Entwicklung der Kosten- Leistungsrechnung, basierend auf proportionalen Kosten, wurde für notwendig erachtet, da das bisher verwendete, auf direkten Arbeitskosten basierende Kostenmodell darauf hindeutete, dass – entgegen der Intuition des Managements und den Grundsätzen des Lean Thinking – die meisten der in Betracht gezogenen Lean-Initiativen kontraproduktiv waren.
Verursachungsgerechte Kostenzuordnung und Lean Management
Mit der verursachungsgerecht gestalteten Kostenrechnung trieb das Unternehmen sein Lean-Programm voran und überarbeitete seinen Fertigungsprozess vollständig. Die Vorhersagefähigkeit des Modells ermöglichte es, die Auswirkungen der einzelnen Lean-Initiativen auf die Kosten sowie die Gesamtkostenauswirkungen der vorgesehenen Lean-Projekte aussagekräftig zu beurteilen. In mehreren Fällen zeigte das Modell mögliche Kosteneinsparungen auf, wenn schon ausgelagerte kleinvolumige Prozesse wieder in das Unternehmen reintegriert werden könnten. Die Auslagerung wurde seinerzeit vorgenommen, weil die Fixkostenumlage auf diese Prozesse sie aus Sicht der alten Vollkostenrechnung unwirtschaftlich machten.
Deckungsbeitragsrechnung
Die Kosten-Leistungsrechnung wurde in Plan und Ist mit der Erlösrechnung verbunden. Dies ermöglichte es dem Unternehmen, auch eine Kundendeckungsbeitragsrechnung zu erstellen. Den kundenspezifischen Deckungsbeiträgen wurden der Arbeitsaufwand für die Kundengewinnung und -betreuung sowie die kundenspezifischen Direktkosten gegenübergestellt. Dies ermöglichte es dem Unternehmen, die Produktkategorien zu ermitteln, welche die grössten Deckungsbeiträge erzielen sowie die Merkmale des Kundenverhaltens zu identifizieren, welche diese Deckungsbeiträge teilweise wieder aufzehrten.
Durch diese Analyse konnte das Unternehmen seine Rentabilität auf ein Niveau steigern, das sogar noch höher war als in den Jahren, in denen es unter Patentschutz stand. Die deckungsbeitragsstarken Produkte wurden als Folge im Verkauf gefördert.
Die Rolle der Konzernfinanzer
Nach mehreren Jahren mit Rekordgewinnen unterbreitete ein grosses internationales Unternehmen der Familie ein Angebot zum Kauf des Unternehmens mit einem beträchtlichen Aufschlag. Die Familie nahm das Angebot an, und American Fittings wurde eine Abteilung des Käufers. Fast sofort schickte der neue Eigentümer sein Finanzteam, um die Buchhaltungs- und Berichtssysteme des Unternehmens zu bewerten. Die Finanzvertreter des grossen Unternehmens verstanden das einzigartige und auf die Entscheidungsbedürfnisse des Managements ausgerichtete Kostenrechnungsverfahren ihres neuen Unternehmens nicht. Sie beschlossen, dass es auf das unternehmensweite, auf direkten Arbeitskosten basierende Standardkostenrechnungssystem des neuen Eigentümers zurückgeführt werden müsste. Dadurch erodierten die Gewinne und innerhalb eines Jahres lagen sie wieder im Branchendurchschnitt, wo sie bis heute geblieben sind.
Diese Fallstudie wurde vom Profitability Analytics Center of Excellence PACE veröffentlicht. Den englischen Originaltext finden Sie hier: Case Studies | Profitability Analytics Center of Excellence (profitability-analytics.org)