Aktualisiert am 13-03-24 durch Lukas Rieder Dr. oec.
Die Einstandspreisabweichung ist wieder aktuell!
Weltweit zunehmende Inflationsraten sind eine Folge der Corona-Pandemie. Dadurch rücken die Fragen, wie schnell und umfassend die steigenden Kosten an die Kunden weiterverrechnet werden können und welche Konsequenzen für das eigene Ergebnis zu erwarten sind, in den Vordergrund.
Um feststellen zu können, inwieweit die Preisabweichungen im Einkauf an die Kunden weiterverrechnet werden konnten und ob durch Preissteigerungen vermehrt Verbrauchsabweichungen in den Kostenstellen entstehen, gilt es im Management Accounting die Preisabweichungen für die kurzfristige Planung und Steuerung festzuhalten.
Im Beispiel ist die reale Preisentwicklung für den Einkauf und Verbrauch von Profilstahl der Ausgangspunkt für die Ermittlung der eigenen Materialeinstandskosten (Angaben von Klöckner & Co. für 2021):
In Zeile 7 der Tabelle sind die monatlich entstandenen Einkaufspreisabweichungen ausgehend vom Standardpreis von 120.— pro beschaffte Tonne aufgeführt. Diese Abweichungen sind als Teil des monatlichen Materialaufwands in der Finanzbuchhaltung zu verbuchen, da die Einkaufspreisabweichung in dieser Periode entstanden ist.
Preisabweichungen den Aufträgen zuordnen
Im Management Accounting sollte während des ganzen Jahres mit dem geplanten Standard-Einstandspreis gerechnet werden, da sonst die Produktion jeden Monat eine neue Plankalkulation erstellen müsste, welche für den Verkauf zu spät käme, weil zwischenzeitig schon wieder neue Preissteigerungen angefallen sind.
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- Bei der Festlegung des Standardeinstandspreises für das Planjahr sollte der Einkaufsleiter die erwartete durchschnittliche Inflation einrechnen. Da er kein Prophet ist, kann er den Wertansatz nur schätzen. Diese Schätzung geht in die Plan-Produktkalkulationen ein und wird folglich auch in der Plan-Deckungsbeitragsrechnung angewendet. Das hat den Vorteil, dass die Plankalkulation als Massstab bestehen bleibt und die monatlichen Abweichungen automatisch berechnet werden können.
- Die Lagerzugänge von Halb- und Fertigfabrikaten werden im Management Accounting ebenfalls durchgängig zu proportionalen Standard-Herstellkosten bewertet, was wiederum die Erstellung der Deckungsbeitragsrechnung erleichtert.
Diese Vorgehensweise insbesondere deshalb sinnvoll, weil im gleichen Fertigungsauftrag Rohmaterial aus Lieferungen mit unterschiedlichen realen Einstandspreisen verbraucht werden kann. Das nachstehende Beispiel beleuchtet Verbräuche und Kosten:
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- Auftrag 1 (Zeile 8) verbraucht im Januar die 100 Tonnen Bestand an Profilstahl, welche im Dezember des Vorjahres zum Preis von 100.00 / to eingekauft wurden, sowie 20 Tonnen von der Januarlieferung zum Preis von 117.30 (Zeile 3 in der Tabelle Preisentwicklung).
- Die Produktion von Auftrag 4 (Zeile 11) muss wegen seines Umfangs von 320 Tonnen auf die Monate März bis Mai verteilt werden. Weil jeden Monat 100 to eingekauft und vom Lieferanten zum jeweils geltenden Preis belastet werden, müssten auch 3 verschiedene Einstandspreise für die Kalkulation verwendet werden.
- Würde der kleinere Auftrag 5 (Zeile 12) vor Auftrag 4 Anfang März abgewickelt, könnte er zu Lasten von Auftrag 4 noch vom günstigeren Einstandspreis im Februar von 134.20 pro Tonne profitieren, was aber die Kosten des Auftrags 4 erhöhen würde.
Diese Komplexität der Bewertung der auftragsspezifischen Verbräuche kann weder den Produktionsverantwortlichen noch den Verkäufern zugemutet werden. Zudem, das ist aus den Zeilen 16 – 18 ersichtlich, müsste noch die anzuwendende Bewertungsregel festgelegt werden:
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- Alle Bezüge werden das ganze Jahr zum Standard-Einstandspreis bewertet (Zeile 16)
- Die realen Bezüge vom Lager werden zum aktuellen Einstandspreis des Bezugsmonats bewertet (Last-In-First-Out, Zeile 17)
- Die realen Bezüge werden zum gewichteten durchschnittlichen Einstandspreis des aktuellen Lagerbestands (gewichteter durchschnittlicher Einstandspreis, Zeile 18) bewertet.
Es zeigt sich, dass Preisabweichungen beim Einkauf Periodenkosten sind. Sie können nur dann eindeutig einem Produkt zugerechnet werden, wenn eine Materialposition direkt für einen Fertigungsauftrag eingekauft wurde.
Deshalb ist die Auftrags- und Produktkalkulation gerade in inflationären Zeiten mit Standard-Einstandspreisen durchzuführen. Mit der Verwendung sich schnell ändernder Einstandspreise verlieren sonst die Produktionsverantwortlichen die Orientierung. Zudem werden sie für Abweichungen verantwortlich gemacht, für welche sie nicht zuständig sind.
Einstandspreisabweichungen sind wie erwähnt Periodenkosten. In der stufenweisen Deckungsbeitragsrechnung können sie meistens nicht eindeutig und damit verantwortungsgerecht einem spezifischen Verkauf zugeordnet werden. Folglich sind sie dort auszuweisen, wo die Eindeutigkeit gegeben ist, also z.B. pro Produkt- oder Kundengruppe oder im Beispiel den Sortimenten (vgl. Buch Management-Control-System, S. 231) und den Beitrag „Komplette Abweichungsanalyse“.
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