Aktualisiert am 19-10-24 durch Lukas Rieder Dr. oec.
Management Accounting oder Buchhaltung?
Ein Finanzchef (CFO) hat den Auftrag, die jederzeitige Zahlungsfähigkeit des Unternehmens aufrecht zu erhalten und die Positionen in der Ergebnisrechnung und in der Bilanz entsprechend den geltenden rechtlichen und steuerlichen Berichterstattungsregeln zu bewerten und zu publizieren. Dazu verwenden CFOs und ihre Buchhalter die Methode der doppelten Buchführung, die Luca Pacioli vor 530 Jahren erstmals dokumentiert hat (sh. Luca Pacioli, «Abhandlung über die Buchhaltung 1494», C.E. Poeschel Verlag, Stuttgart 1933).
Die meisten Länder sowie internationale Rechnungslegungsstandards (IFRS und USGAAP) verlangen, dass in der Berichterstattung die Lagerbestände zu vollen Herstellkosten bewertet werden. Das gilt auch für die Berechnung von Verrechnungspreisen zwischen Gesellschaften in verschiedenen Ländern. Deshalb legen CFOs bei der Einrichtung ihrer Kostenrechnung das Schwergewicht auf die Bestandsbewertung und auf die Berechnung der vollen Herstellkosten pro Stück sowie auf die Ermittlung der Selbstkosten pro Einheit.
Überlassen die für die strategische und operative Leitung zuständigen Führungskräfte die Gestaltung des Management Accounting Systems weitgehend dem CFO, legt dieser das Schwergewicht auf die Erfüllung seines Informationsbedarfs und damit auf die Bestandsbewertung zu vollen Herstellkosten.
Der CEO und seine nachgelagerten Führungskräfte planen und steuern hingegen Kapazitäten (Personal und Anlagen), auftragsbezogene Verbräuche von Material, Fremdleistungen und Arbeitsleistungen der Kostenstellen. Sie erwarten vom Management Accounting-System, dass es pro Produkt- oder Dienstleistungseinheit den Nettoerlös, die proportionalen Herstellkosten und den Deckungsbeitrag zeigt. Erst wenn in einer Betrachtungsperiode das Deckungsbeitragsvolumen grösser wird als das Fixkostentotal, entstehen Gewinne.
Das erfordert in den ausführenden Kostenstellen die Spaltung der Plankosten in ihren proportionalen und fixen Anteil. Die Fixkosten entstehen für die Leistungsbereitschaft der Kostenstellen. Sie fallen für Zeiträume (Monat, Jahr) an und werden durch Managemententscheide festgelegt. Die proportionalen Herstellkosten entstehen, wenn Produkte oder Dienstleistungen hergestellt werden:
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- Stücklisten halten die Planverbräuche pro Einheit fest und ergeben die Einzelmaterial- oder Fremdleistungskosten,
- Arbeitspläne zeigen pro Fertigungskostenstelle und Artikel die Bearbeitungszeit. Multipliziert mit dem proportionalen Plankostensatz der Kostenstelle ergeben sich die proportionalen Fertigungskosten.
Das entscheidungsgerechte Management Accounting-System muss die Spaltung der Plankosten in ihren proportionalen und fixen Teil ermöglichen. Aus den Planungs- und Auswertungsrechnungen muss pro Produkt- oder Dienstleistungseinheit hervorgehen, welche Material- und Fremdleistungskosten direkt durch die hergestellten Einheiten verursacht werden (proportional) und welches die fixen Leistungsbereitschaftskosten der Kostenstellen sind. Denn mit den Deckungsbeiträgen sind die fixen, hauptsächlich periodenabhängigen Kosten und der Gewinn zu decken.
Bei der Gestaltung des entscheidungsrelevanten Management Accountings ist zu beachten:
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- Die fixen Kosten entstehen für die Erstellung und Aufrechterhaltung der Leistungsbereitschaft des Unternehmens. Die Führungskräfte planen personelle und sachliche Kapazitäten der Kostenstellen und steuern sie zeitbezogen pro Monat oder Jahr.
- Fixkosten lassen sich nicht verursachungsgerecht an andere Kostenstellen und erst recht nicht an Produkteinheiten verrechnen, weil kein direkter Ursache-/Wirkungszusammenhang besteht. Das entscheidungsrelevante Management Accounting ist folglich ohne Fixkostenumlage einzurichten.
- Die Herstellung der Produkte und/oder Dienstleistungen verursacht die proportionalen Kosten. Sie kommen mit jeder hergestellten Einheit dazu. Zu ihrer Berechnung sind Stücklisten und Arbeitspläne erforderlich, die nicht im Rechnungswesen, sondern nur im ERP-System zu finden sind.
- Das System muss in der Lage sein, die Sollkosten pro Kostenstelle zu berechnen. Denn die Kunden bestellen selten genau das, was im Unternehmen geplant wurde. Die Sollkosten sind die Plankosten der effektiv erbrachten Leistung.
- Werden die Sollkosten mit den Istkosten verglichen, resultiert die Verbrauchsabweichung pro Kostenart in einer Kostenstelle. Auftrag der Kostenstellenleiter ist es, die Verbrauchsabweichungen gering zu halten.
- Die Verbrauchsabweichungen verbleiben in ihren Entstehungskostenstellen und werden von dort in das Betriebsergebnis (EBIT) übernommen, da kein direkter Verursachungszusammenhang zwischen hergestellten Einheiten und den Sollkosten einer Kostenstelle besteht.
- Die Kosten maschineller Leerkapazitäten können ebenfalls nicht verursachungsgerecht den hergestellten und verkauften Einheiten zugerechnet werden. Denn die Abschreibungskosten für zu grosse Anlagekapazitäten sind die Folge der Investitionsentscheidungen des Top Managements. Abschreibungskosten für Anlagen lassen sich nur der Kostenstelle oder dem Unternehmen als Ganzes eindeutig zuordnen.
Es ergibt sich, dass auch gut ausgebaute Finanzbuchhaltungssysteme weder für die Kalkulation noch für die Unternehmenssteuerung geeignet sind. Sie können keine direkten Ursache-Wirkungszusammenhänge abbilden, da der Datenlink zu den Vorgabemengen und -zeiten in den Stücklisten und Arbeitsplänen fehlt. Die Angaben zu den verkauften Produkten und den mit den Kunden erzielten Nettoerlösen sind nur in der Kundenauftragsbearbeitung und in der Fakturierung zu finden, nicht in der Finanzbuchhaltung.
Entscheidungsrelevantes Management Accounting erfordert die Führung einer Grenzplankostenrechnung oder einer flexiblen Plankostenrechnung. Im englischen Sprachraum sind diese Methoden als Resource Consumption Accounting (RCA) bekannt.
Am 24.10.2024 ergab eine Analyse mit ChatGPT, dass folgende Unternehmen RCA-Software anbieten:
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- SAP (SAP Profitability and Performance Management)
- Microsoft AX
- Infor (Infor CloudSuite Industrial or Infor ERP LN)
- Prophix
Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Unsere praktische Erfahrung basiert auf Umsetzungen unserer Kunden mit SAP, Infor und Microsoft AX.