Parts Maker Automobilkomponenten

Auch mit differenzierten Gemeinkostenzuschlägen lässt sich der Erfolgsbeitrag des einzelnen Produkts nicht zeigen.

Aktualisiert am 13-03-24 durch Lukas Rieder Dr. oec.

Parts Maker und seine Automobilkomponenten

Parts Maker Inc. war ein mittelgrosser Hersteller von Automobilkomponenten. Mit Stanz-, Walz-, Endbearbeitungs- und Montagevorgängen stellte das Unternehmen eine Vielzahl von Automobilprodukten her.  Der Jahresumsatz von 24 Millionen USD verteilte sich gleichmässig auf drei Produktgruppen: Kraftstofftankklappen, Dachgepäckträger und Struktur-Stanzteile.  Das Unternehmen hatte sechs Jahre lang Verluste gemacht, die im letzten Jahr mit 500.000 USD einen neuen Höchststand erreichten.

Zur Herstellung von Kraftstofftankklappen kaufte das Unternehmen Stahlcoils, aus denen es die Hauptkomponenten für die Klappen stanzte.  Die Tankklappe selbst war das einzige von Parts Maker hergestellte Stanzteil der Klasse A.  Stanzteile der Klasse A werden für die Aussenseite des Fahrzeugs verwendet und daher lackiert. Sie sind wesentlich höheren Qualitätsstandards unterworfen als die übrigen Stanzteile des Unternehmens.  Die Komponenten wurden in einer speziell für diesen Zweck eingerichteten Montagezelle zum fertigen Produkt zusammengebaut.  Dachgepäckträger wurden auf Walzstrassen aus Bimetallcoils oder Edelstahlcoils hergestellt.  Dies war ein kontinuierlicher Prozess, der mit dem Abwickeln begann und mit der Montage eines kompletten Dachträgers endete.  Struktur-Stanzteile wurden in einem ein- oder zweistufigen Verfahren hergestellt – oft als „bang it and box it“ bezeichnet – wobei das Produkt unmittelbar nach dem letzten Stanzvorgang verpackt wurde.

Verbesserung der Vollkostenrechnung

Parts Makers hatte seine Kosteninformationen mit Hilfe einer traditionellen und einfach gehaltenen Vollkostenrechnung entwickelt.  Die Produktkosten wurden anhand eines werksweiten, auf direkten Arbeitskosten basierenden Gemeinkostenzuschlagssatzes ermittelt, der auf der Grundlage der tatsächlichen Ergebnisse des Vorjahres berechnet wurde.  Diese Kostenrechnung zeigte, dass in jeder der drei Produktgruppen jährliche Verluste zwischen 130.000 und 200.000 USD entstanden.

Die Verlustsituation führte zur Erstellung einer Kostenrechnung, welche die Geschäftstätigkeit des Unternehmens besser widerspiegelt. Die Kostenrechnung erfasst die Fertigungsaktivitäten – sowohl wertschöpfende als auch nicht wertschöpfende – in Gruppen mit ähnlichen Kostenstrukturen:

    1. Der Aufwand und die Arbeiten zur Unterstützung der Produktionsarbeit (Lohnsteuer, Krankenversicherung, Personalunterstützung usw.) wurden von den Aufwendungen für die Leistungsbereitschaft der Produktion abgegrenzt (Abschreibung, Versorgungsleistungen, Instandhaltung, usw.). Nur der Personalaufwand für die direkt fertigungsbezogenen Arbeiten wurde in den Produktionslohnsatz einbezogen Dieser Satz wurde dann zur Kalkulation der direkten Arbeitskosten der produzierten Produkte verwendet.
    2. Der Aufwand und die Arbeiten für das Einrichten von Schmiedepressen und Walzstrassen wurden getrennt in die „Kosten pro Einrichtung“ für jeden Prozess einbezogen. Diese Einrichtungskosten konnten so pro Fertigungsauftrag verrechnet werden.
    3. Die Fertigungsprozesse wurden in drei Gruppen unterteilt: Stanzen, Walzen und Montage von Kraftstofftüren. Die fixen Leistungsbereitschaftskosten der Fertigung (Raumbedarf, Abschreibung, Versorgungsleistungen, Instandhaltung, Qualität usw.) wurden auf der Grundlage von Verbrauchsmetriken oder Schätzungen sachkundiger Personen auf die drei Fertigungsbereiche umgelegt (Fixkosten). Das ergab die drei Vollkostensätze der Fertigung.

Die Kosten und Aktivitäten für die Materiallogistik (Einkauf, Wareneingang, Qualitätsprüfung, Handhabung und Lagerung von Stahl-, Edelstahl- und Bimetallcoils) wurden isoliert und als «Kostensatz pro Pfund» auf die Produkte umgelegt.

Mit diesen (Voll-)Kostensätzen wurden die Gesamtkosten für den Betrieb des Unternehmens bei unterschiedlichen Mengen- und Mischungsszenarien kalkuliert und daraus dann Vollkostensätze für die Kalkulation einzelner Produkte und Kunden berechnet.

Die neuen Vollkostensätze unterschieden sich erheblich von den alten Werten.  Es zeigte sich, dass das Dachgepäckträgergeschäft einen jährlichen Gewinn von 700.000 USD, das Stanzgeschäft einen jährlichen Gewinn von 200.000 USD und das Geschäft mit der Montage von Kraftstofftüren einen jährlichen Verlust von 1,4 Millionen USD erwirtschaftete.  Da die Verluste der letzten Jahre das Unternehmen in eine ziemlich prekäre finanzielle Lage gebracht hatten, sah die Geschäftsleitung nur zwei Handlungsmöglichkeiten: eine Preiserhöhung von 25 % für die Kraftstofftankklappen oder die Aufgabe des Produkts und die Verkleinerung der Produktion auf Dachträger und Stanzteile.  Da eine Preiserhöhung von 25 % höchst unwahrscheinlich war, wurde auf Basis der neuen Kalkulationsgrundlagen ein Plan zum kompletten Rückbau der Kraftstofftankklappen-Produktion erarbeitet.

Die Überlegungen der Kunden

Als Parts Maker dem Kunden die Preiserhöhung um 25% oder die Produktionsaufgabe vorstellte, antwortete dieser: „Wir haben uns schon gefragt, wann Sie es merken würden.  Jedes Jahr, wenn wir Ihr Produkt neu ausschreiben, bietet die Konkurrenz 20 bis 25 % höhere Preise an als Sie“.  Natürlich wurde die Preiserhöhung seitens des Kunden nicht bewilligt, hätte sie doch einen gefährlichen Präzedenzfall für die anderen Lieferanten des Kunden geschaffen.  Hätte Parts Maker die Tankklappe jedoch bereits Jahre zuvor um 25 % höheren Preis angeboten, hätte Parts Maker möglicherweise als günstigster Bieter den Auftrag trotzdem erhalten und wahrscheinlich Gewinn erzielt.

Parts Maker konnte eine „Überbrückungsvereinbarung“ aushandeln. Für einen Preisaufschlag von 25% lieferte das Unternehmen dem Kunden einen dreimonatigen Teilevorrat, damit dieser einen neuen Lieferanten finden konnte. Dieser Kontrakt verschaffte Parts Maker eine Finanzspritze, die half, die Monate des Übergangs zu überstehen. Die Montage der Tankdeckel wurde aufgegeben, der Umsatz reduzierte sich auf 16 Millionen USD, doch der Gewinn vor Steuern stieg auf 500.000 USD. So wurde Parts Maker zu einem attraktiven Übernahmekandidaten und wurde weniger als ein Jahr später an einen grossen Automobilzulieferer verkauft.

Diese Fallstudie wurde vom Profitability Analytics Center of Excellence PACE veröffentlicht. Den englischen Originaltext finden Sie hier: Case Studies | Profitability Analytics Center of Excellence (profitability-analytics.org)

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