Reifegrad des eigenen Management Accountings

Stellen Sie fest, welchen Level Ihre Kosten-, Leistungs-,Erlös- und Ergebnisrechnung schon erreicht hat. Sind schon entscheidungsrelevante Simulationen möglich?

Aktualisiert am 13-03-24 durch Lukas Rieder Dr. oec.

Reifegrad des eigenen Management Accountings

Gary Cokins aus North Carolina USA hat das “Costing Levels Continuum Maturity Framework 2.0” entwickelt. Die Version 2.0 wurde 2013 von der International Federation of Accountants IFAC geprüft und als Leitfaden für gute Praxis in der Kostenrechnung publiziert (IFAC-Evaluating-the-Costing-Journey_0.pdf).

Dieses Framework soll einerseits  Rechnungswesenspezialisten helfen, den Entwicklungsstand des eigenen betrieblichen Rechnungswesens zu beurteilen. Wie weit ist die Systematik  geeignet, den Fürungskräften entscheidungsrelevante und verantwortungsgerechte Daten zu liefern?

Das Framework kann Organisationen auch helfen, den Ausbaugrad ihres Management Accounting-Systems  den organisatorischen Anforderungen und dem Entscheidungsbedarf ihrer Führungskräfte anzupassen.

12 Reifegrad-Stufen  des eigenen Management Accountings

Cokins gliedert das Costing Levels Continuum Maturity Model in 12 Reifegradstufen (Levels) die von der einfachen Buchhaltungsauswertung bis zum umfassenden Simulationsmodell reichen:

    • Die Stufen 1-8 decken die Systematiken von der finanziellen Buchführung über die Betriebsbuchhaltung, die leistungsbezogene Vollkostenrechnung (auch Standard-Vollkostenrechnung genannt), die Kostenverteilung mittels Activity Based Costing ABC, die Gegenüberstellung von Erlösen und Kosten pro Kunde bis zur Quantifizierung ungenutzter Kapazitäten ab.
    • Die Stufen 9 und 10 setzen Plan-/Soll-/Ist-Vergleiche voraus und versuchen, die Fixkosten nach Aktivitäten den Produkten und Kunden zuzuordnen.
    • Stufe 11 erfordert die Umsetzung des Resource Consumption Accountings RCA. Dieses entspricht fast vollständig der Grenzplankostenrechnung nach Plaut, der Flexiblen Plankostenrechnung nach Kilger und der stufenweisen und mehrdimensionalen Deckungsbeitragsrechnung, wie sie in diesem Blog beschrieben werden.
    • Stufe 12 wird erreicht, wenn auf Basis von Stufe 11-Daten Simulationen von der Produkt- und von der Kundenebene bis zum Gesamtunternehmen möglich sind.
  • Reifegrad des eigenen Management Accountings
    Reifegrad des eigenen Management Accountings

Beschreibung der 12 Levels

    • Level 1 ist pure Finanzbuchhaltung (Hauptbuch, Lohnabrechnung, Einkauf)
    • Level 2 kontiert die Aufwendungen auch auf Kostenstellen
    • Level 3 bucht das Einzelmaterial und die Arbeitskosten pro Produktgruppe (Umlage aller Personalkosten)
    • Level 4 legt die Kosten der Servicebereiche mittels Umlageschlüssel auf die direkt an den Produkten arbeitenden Kostenstellen um (entspricht dem Betriebsabrechnungsbogen (BAB)
    • Level 5 betrachtet erstmals einzelne hergestellte Einheiten. Dazu ist eine Verbindung mit Stücklisten und Arbeitsplänen (ERP) erforderlich. Die Herstellmengen werden aus historischen Daten generiert. In ausgebauten Versionen werden die Kosten auch pro Fertigungsauftrag oder pro Projekt erfasst.
    • Level 6 versucht, mittels Activity Based Costing ABC fixe Kosten auf Basis geschätzter oder gemessener Verbräuche einzelnen Produkten zuzurechnen (entspricht immer noch einer nicht verursachungsgerechten Fixkostenumlage)
    • Level 7 bezieht erstmals Umsätze und Nettoerlöse ein. Es wird versucht, die Kosten für Marketing, Verkauf und Verkaufsförderung sowie der gesamten Administration und des Managements mittels Umlageschlüsseln auf Kunden und Produkte zu verrechnen. Diese Umlagen werden in der Periodenrechnung pro Kunde oder Produkt ausgewiesen, jedoch nicht in die Bestandswerte eingerechnet.
    • Level 8 berechnet die Kosten nicht genutzter Kapazitäten (Personal, Maschinen, IT, übrige Anlagen) der Kostenstellen und versucht, diese den Kunden und Absatzkanälen zuzurechnen.
    • Ab Level 9 wird, zur Unterstützung der Entscheidungsfindung und damit der Planung, mit Plan- und Istwerten für Erlöse und Kosten gearbeitet. Damit rückt die Spaltung der Kosten in ihren proportionalen und fixen Anteil in den Vordergrund. Zudem wird in der Planung vom Bedarf der bestehenden und der potenziellen Kunden ausgegangen anstatt nur von den vorhandenen Personen und Anlagen.
    • Level 10 verwendet nur noch aus der zielorientierten Planung abgeleitete Vorgabemengen und -zeiten zur Kalkulation der Produkte. Diese bilden die Standards. Die fixen Kosten werden aber weiterhin auf Produkte und Kunden verrechnet.
    • Level 11 bringt die umfassende Anwendung des Verursachungsprinzips wie es in diesem Blog beschrieben wird und in der Grenzplankostenrechnung GPK, resp. der Flexiblen Plankostenrechnung im deutschen Sprachraum schon lange angewendet wird. In den USA ist diese Systematik als Resource Consumption Accounting RCA bekannt. Mit diesen von der Methodik her weitgehend übereinstimmenden Systemen wird die Sollkostenrechnung eingeführt (wie viel hätte die effektive erbrachte Leistung kosten sollen, wenn sie genau gemäss Plan erstellt worden wäre?).
    • Level 12 wird erreicht, wenn basierend auf Level 11 (GPK oder RCA) sowie auf den ERP- und CRM-Daten Simulationen «gefahren» werden können. Simulationen sollen dazu führen, dass auf Basis eines aktuellen Bestellbestands und der Management Accounting-Daten ergebnisoptimale Programme ermittelt und realisiert werden können.

Entwicklungshintergrund und Zweck des Continuums

Das Costing Continuum Model wurde aus dem Wissen über die Anwendung verschiedener Kostenrechnungssysteme im englischen Sprachraum, insbesondere in den USA, entwickelt. Indirekt ist das Modell eine Folge des berühmten Buchs von Robert Kaplan und Thomas Johnson mit dem Titel «Relevance lost. The rise and Fall of Management Accounting (Harvard Business School Press, 1987)». Dort wurde auch bemängelt, dass in den meisten Kostenrechnungsabteilungen die Erfüllung der Berichterstattungsstandards (US GAAP / IFRS) im Vordergrund stehe, für die Entscheidungsunterstützung der Manager aber kaum taugliche Systeme in Anwendung seien. Ab 2004 wurde erkannt, dass die Grenzplankostenrechnung und die Flexible Plankostenrechnung diese Bedürfnisse weitgehend abdecken kann. Das führte in den USA zum Resource Consumption Accounting RCA (Level 11).

Im deutschsprachigen Raum haben die Softwareentwicklungen der Plaut-Gruppe und der SAP sowie vieler anderer Softwareanbieter dazu geführt, dass heute viele Unternehmen in ihrem Management Accounting den Level 11 erreicht haben. Nach unserer praktischen Erfahrung hat aber die Erfüllung der Rechnungslegungsstandards sowie der gesetzlichen Rechnungslegungs- und Verrechnungspreisvorschriften immer noch den Vorrang vor der Entscheidungsunterstützung für die Führungskräfte aller Ebenen und Funktionen.

Das Continuum soll den Controllern und den Fachleuten in den Finanzbereichen zu beurteilen helfen, inwieweit die von ihnen installierten Systeme und Prozesse relevante Information für die Entscheidungsfindung durch die Führungskräfte liefern. Das gilt sowohl für die operative als auch für die strategische Führung.

Anwendung des Reifegradmodells

Für Organisationen, die über eine entscheidungsorientiert ausgebaute Flexible Plankostenrechnung oder eine Grenzplankostenrechnung verfügen, also auf Level 11 sind, wird der Level 12 zur Herausforderung. Denn um Simulationen rechnen zu können, ist zuerst der Zugriff auf die ERP-Daten, auf die Absatz-/Umsatzplanung und auf das Management Accounting erforderlich. Die Mengen und Leistungen müssen als Plan- und Istwerte pro Artikelnummer und Kunde verfügbar sein, damit jederzeit fragegerechte Aggregationen möglich sind. In den Kostenstellen muss die Sollkostenrechnung eingerichtet sein, damit die Istkosten mit den Plankosten der Istleistung (Sollkosten) verglichen werden können. Es zeichnet sich ab, dass auch bei der Anwendung von Applikationen der künstlichen Intelligenz immer von den Basisdaten ausgegangen wird.

Im Simulationsmodell zum Buch «Management-Control-System» können Simulationen durch Veränderung von Preisen, Erlösschmälerungen, Mengen, Leistungen und Werten durchgeführt werden. Das Simulationsmodell berechnet die Konsequenzen von Änderungen der Basis-Inputgrössen bis zur internen Ergebnisrechnung und zur internen Bilanz auf. Das ist keine künstliche Intelligenz, doch können die Entscheidenden die Konsequenzen jeder Änderung schrittweise verfolgen.

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